Ursprünglich sollte dieser Artikel natürlich pünktlich gestern Morgen erscheinen, leider war ich aufgrund eines kleinen Unfalls verhindert, sodass er jetzt eben nachträglich kommt, man möge es mir bitte nachsehen.
Wie auch schon im vergangenen Jahr, möchte ich auch 2012 an dieser Stelle an den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, der am gestrigen 27.Januar bundesweit begangen wurde – und dennoch leider den wenigsten Menschen ein Begriff ist. Im Bundestag hielt Marcel Reich-Ranicki eine sehr persönliche Ansprache und in vielen Landtagen fanden Gedenkstunden statt und sprachen Zeitzeugen über ihre Erinnerungen an das Grauen der NS-Zeit. Dies nicht nur allein zum Gedenken, sondern auch als Warnung, denn wenn uns die Geschichte eins gelehrt hat, dann, dass sich die Geschichte gerne wiederholt.
Wir, in unserer fortschrittlichen Arroganz, glauben, darüber erhaben zu sein, glauben, dass so etwas nicht noch einmal passieren kann, dass genug über den Nationalsozialismus gesprochen wurde und doch langsam mal gut ist.
Viel zu viele Menschen pflegen jedenfalls genau diese Einstellung und behaupten: Wir wissen doch nun alles zu dem Thema, es reicht.
Nein, wir wissen ganz sicher nicht alles dazu, vieles beschäftigt die Forschung noch immer, vieles ist unbekannt, bleibt vielleicht auch für alle Zeiten unbekannt.
Und es reicht sicher auch noch lange nicht, dieses Thema immer wieder anzusprechen – soll man in diesen Zeiten aufhören, an dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte zu erinnern, wo doch gerade jetzt die NPD, eine Partei mit „nationalistischer, völkischer und revanchistischer Ideologie“ und agitatorischer (und sicherlich auch darüber hinausgehender) Nähe zur NSDAP, in zwei Landtagen (Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern) vertreten ist, somit also mit ihrem rechtsextremen Gedankengut genügend Wähler mobilisieren konnte?
Laut einer Forsa-Umfrage weiß jeder fünfte Deutsche unter 30 Jahren nicht, wofür Auschwitz steht.
Ein Expertenbericht bescheinigte vor Kurzem jedem fünften Deutschen latenten Antisemitismus.
Nein, ich finde nicht, dass man aufhören sollte, über dieses Thema zu sprechen.
Gestern vor 67 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz durch sowjetische Truppen befreit. Und obwohl wir alle die Bilder kennen, solche wie das vom Eingangsbereich zum Lager mit den Eisenbahnschienen, vor allem aber die Fotos der Insassen mit ihren ausgezehrten Körpern, ihren eingefallenen Gesichtern, die Bilder der Baracken, in denen sie unter unwürdigen Umständen hausen mussten, obwohl wir alle spätestens in der Schule von den Grauen, die dort stattgefunden haben, erfuhren und es wirklich genügend Bild-, aber auch Filmmaterial aus dieser Zeit oder zu diesem Thema gibt, obwohl also jeder Mensch sich heutzutage ein umfassendes Bild machen kann, gibt es immer noch Leute, die das alles leugnen. Die Auschwitz leugnen, die die Vernichtungslager leugnen oder die Deportation und Ermordung von Millionen andersdenkender Menschen, von Sinti und Roma, von Juden, Homosexuellen, Kommunisten, Künstlern, Schriftstellern oder geistig und körperlich Behinderten. Die auch die nationalsozialistische Euthanasieaktion abstreiten, bei der – oft willkürlich – das Urteil „lebensunwert“ gefällt wurde.
Es ist mir unbegreiflich, wie man etwas leugnen kann, von dem es so viele stichhaltige Beweise gibt, gänzlich unabhängig von den Zeitzeugen!
Aber darüber will ich mich nicht weiter auslassen, denn es soll hier um das Erinnern gehen.
Dieser Blog wird wohl fast ausschließlich von Literaturliebhabern gelesen – und wer von euch hat nicht bei den Stichworten „Nationalsozialismus“ und „Literatur“ sofort das Bild von tausenden brennenden Büchern vor Augen?
Nein, wir sind noch lange nicht an dem Punkt, an dem man aufhören kann, immer wieder an diese Geschehnisse zu erinnern; wenn wir diesen Punkt überhaupt jemals erreichen, und ich für meinen Teil werde auch nicht müde, immer wieder daran zu erinnern. Nicht nur, weil ich mich täglich berufswegen mit der Thematik beschäftige, sondern weil ich einfach davon überzeugt bin, dass sich die Geschichte nicht wiederholen MUSS – wenn man aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Das müssen keine eigenen Fehler sein, die wenigsten von uns waren an den Geschehnissen vor rund 70 Jahren beteiligt. Es können auch die Fehler unserer Vorfahren sein, aus denen wir hier und heute lernen können, doch Voraussetzung dafür ist, nicht einfach die Augen zu verschließen, sondern sich zu erinnern und auch mal für eine Sache einzustehen, auch mal zu diskutieren, zu streiten, wenn man von dieser Sache überzeugt ist.
Anlässlich dieses Gedenktages möchte ich in diesem Jahr mehr als nur Worte zur Erinnerung abliefern.
Folgende ausgewählte Bücher zum Thema suchen ein neues Zuhause und warten darauf, gelesen zu werden.
Einige wurden freundlicherweise von den Verlagen zur Verfügung gestellt (an dieser Stelle recht herzlichen Dank!), der größte Teil kommt jedoch aus meinem privaten Bestand, wurde also bereits gelesen und einigen Büchern sieht man das auch an (sie sind nicht zerfleddert, keine Sorge). Ich sage das nur, weil ich nicht bereit bin, mich auf irgendwelche „das Buch ist ja gar nicht nagelneu!“-Diskussionen einzulassen, die man auf anderen Blogs gelegentlich verfolgen kann.
Edda Ziegler
Verboten – verfemt – vertrieben
Schriftstellerinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Kaum hatten deutschsprachige Autorinnen Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen, die literarische Szene zu erobern, da wurden sie auch schon ausgebremst: verboten, verfemt und vertrieben von der Literaturpolitik der Nazis – wegen ihrer jüdischen Herkunft, ihrer politischen Überzeugung, ihrer Schreibart, ihrem Frauenbild. Edda Ziegler gibt einen Überblick über die Schicksale der Autorinnen, berühmter wie unbekannter. In sieben Kapiteln erzählt sie von den Wegen der Schriftstellerinnen ins Exil, ihrem Leben, Schreiben und Publizieren in fremden Ländern und Sprachen und vom schwierigen Verhältnis zur alten Heimat in den Zeiten des Neubeginns nach 1945.
Chasia Bornstein-Bielicka
Mein Weg als Widerstandskämpferin
Chasias unbeschwerte Jugend war abrupt zu Ende, als die Deutschen ihre Heimatstadt in Polen besetzten. Mit ihrer Familie musste sie ins Ghetto umziehen und schloss sich dem Widerstand an. Ausgestattet mit falschen Papieren konnte sie untertauchen und übernahm Kurierdienste sowohl für die Widerstandskämpfer im Ghetto als auch für die Partisanen im Wald vor der Stadt. Mit großem Mut, einer gehörigen Portion Geistesgegenwart und beständiger Umsicht überlebte sie, nicht zuletzt auch dank der Hilfe eines deutschen Unternehmers, den Krieg. Ihre Geschichte gibt einen mitreißenden und bewegenden Einblick in ein Leben unter ständiger Bedrohung.
»Unsere Theatervorstellung hörte nie auf, wir spielten in einem Stück ohne Pause. Eine vertrackte Rolle: Freundlich lächeln, so tun, als ob nichts wäre – und unser Leben riskieren.«
Roger Repplinger
Leg dich, Zigeuner
»Leg dich, Zigeuner, oder wir holen dich!«, brüllen die Zuschauer, wenn Johann Trollmann in den frühen Dreißigerjahren boxt. Und sie holen ihn tatsächlich ins KZ Neuengamme. Einer der SS-Männer dort ist der ehemalige Fußballnationalspieler Tull Harder. In dem Lager sterben bis Kriegsende 55.000 Menschen, unter ihnen auch Trollmann, der 1944 ermordet wird.
Elisabeth Zöller
Anton
oder Die Zeit des unwerten Lebens
Lehrer Heimann hat Anton immer mehr auf dem Kieker.
Er gibt Strafarbeiten, wenn Anton zuckt.
Er schlägt, wenn Anton schweigt.
Er lacht ihn aus, wenn Anton stottert.
Er spottet, wenn Anton rechnet.
Einer wie Anton hat in der Schule nichts zu suchen. Einer wie Anton hat eigentlich überhaupt kein Recht zu leben. Denn Anton ist behindert, und es ist das Jahr 1941.
Wibke Bruhns
Meines Vaters Land
Geschichte einer deutschen Familie
Am 26. August 1944 wird der Abwehroffizier Hans Georg Klamroth wegen Hochverrats hingerichtet. Jahrzehnte später sieht seine jüngste Tochter in einer Fernsehdokumentation über den 20. Juli Bilder ihres Vaters aufgenommen während des Prozesses im Volksgerichtshof. Ein Anblick, der Wibke Bruhns nicht mehr loslässt. Wer war dieser Mann, den sie kaum kannte, der fremde Vater, der ihr plötzlich so nah ist. Die lange Suche nach seiner, ja auch ihrer eigenen Geschichte führt sie zurück in die Vergangenheit: Die Klamroths sind eine angesehene großbürgerliche Kaufmannsfamilie und muten wie ein Halberstädter Pendant zu den Buddenbrooks an. Unzählige Fotos, Briefe und Tagebücher sind der Fundus für ein einzigartiges Familienepos.
Christiane Kohl
Der Jude und das Mädchen
Ein beklemmendes Kapitel deutscher Alltagsgeschichte wird von Christiane Kohl in ihrem Buch aufgegriffen: Denunziation und Justizmord im „Dritten Reich“.
„Rassenschande“, so lautet die Anklage in einem aufsehenerregenden Schauprozess gegen den „Schuhjuden“ Leo Katzenberger und die flotte Mittzwanzigerin Irene Scheffler. Die Mitbewohner des bürgerlichen Mietshauses zerreißen sich das Maul über ihre ungleichen Nachbarn. Man tuschelt im Treppenhaus, spioniert den beiden nach und sammelt fleißig Indizien für die ungeheuerliche Straftat.
Christiane Kohl zeigt in ihrer fesselnden Dokumentation, wie eine fatale Mischung aus Kleinbürgermief, Neid und sexuellen Fantasien der biederen Saubermänner zu Denunziation und Justizmord führten. Leo Katzenberger wird im Juni 1942 hingerichtet, die mitangeklagte Irene Scheffler muss für zwei Jahre ins Zuchthaus. Ein beklemmender Einblick in die Lebens- und Gedankenwelt ganz gewöhnlicher Deutscher im „Dritten Reich“.
(Ausgabe mit „Mängelexemplar“-Stempel)
Carlo Rossi
Im Vorhof der Hölle
1942 wird der 14-jährige Jude David Rosen nach Theresienstadt gebracht. Dieses Lager, von den Nazis als »Vorzeige-KZ« konzipiert um es der Presse und ausländischen Besuchern vorzuführen, wird von seinen Bewohnern auch »Vorhof zur Hölle« genannt. Jeder hier weiß, dass es aus Theresienstadt nur einen Weg gibt: in die Vernichtungslager. David merkt schnell, dass hinter der künstlichen Fassade der gleiche brutale Alltag von Terror und Angst herrscht, dem die Juden in dieser Zeit überall ausgesetzt sind. Er hat nur ein Ziel: Er will überleben.
Edgar Hilsenrath
Der Nazi und der Friseur
»Ich bin Max Schulz, unehelicher, wenn auch rein arischer Sohn der Minna Schulz …« So beginnt Edgar Hilsenraths berühmter Roman über den SS-Mann und Massenmörder, der in die Rolle seines Opfers Itzig Finkelstein schlüpft und ein angesehener Bürger und Friseursalonbesitzer in Tel Aviv wird.
»Dem Romancier Edgar Hilsenrath gelingt in ›Der Nazi und der Friseur‹ scheinbar Unmögliches – eine Satire über Juden und SS […] Ein blutiger Schelmenroman, grotesk, bizarr und zuweilen von grausamer Lakonik, berichtet von dunkler Zeit mit schwarzem Witz.« (Der Spiegel)
Hans Peter Richter
Damals war es Friedrich
Zwei Jungen wachsen im selben Haus auf und gehen in die selbe Schulklasse. Jeder wird als einziges Kind von verständnis- und liebevollen Eltern erzogen. Selbstverständlich werden sie gute Freunde und jeder ist in der Familie des anderen daheim. Doch Friedrich Schneider ist Jude und allmählich wirft der Nationalsozialismus seine Schatten über ihn. Langsam gleitet die Geschichte aus der heilen Kinderwelt in ein unfassbares Dunkel.
Anonyma
Eine Frau in Berlin
Tagebuch-Aufzeichnungen vom 20. Apri bis 22. Juni 1945
Eine namenlose Frau erzählt von den letzten Tagen des Krieges im Frühjahr 1945 und dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin: Schonungslos offen und mit einem feinsinnigen Gespür für diese beispiellose Zeit berichtet die vielleicht 30-Jährige von Hunger, Ekel, Gewalt und Angst. Drei Schulhefte sind ihr geblieben, in die sie nun notiert, was ihr während des Tages und der Nacht widerfährt, und statt Selbstmitleid oder Hass wächst in der jungen Frau ein unerschütterlicher Überlebenswille heran …
Amelie Fried
Schuhhaus Pallas
Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte
Amelie Fried, Bestsellerautorin und Fernsehmoderatorin, hat durch einen Zufall ein Familiengeheimnis entdeckt: Während des Nationalsozialismus waren auch ihr Vater und Großvater, Eigentümer des Schuhhauses Pallas in Ulm, schlimmsten Repressalien ausgesetzt. Nahe Verwandte ihres Großvaters wurden im Konzentrationslager ermordet, er selbst überlebte durch einen unglaublichen Zufall. Erschüttert fragt sie sich, warum alle, die ihr und ihren Geschwistern etwas über diese Zeit hätten erzählen können, geschwiegen haben. In akribischer Detektivarbeit hat Amelie Fried die eigene Familiengeschichte recherchiert und aufgeschrieben – für ihre Kinder und für alle anderen, die sich mit dem Schweigen nicht abfinden wollen.
Ihr habt Interesse?
Dann müsst ihr nichts weiter tun, als mir bis Sonntag, 5. Februar 2012, 20 Uhr, eine eMail an buchjunkie[at]gmail[punkt]com zu senden und mir darin sagen, welches der Bücher euch interessiert und warum. Das muss kein langer Text sein, ein oder zwei überzeugende Sätze reichen. Ihr müsst weder Werbung machen noch sonst etwas und bitte schickt mir auch nicht direkt eure Adresse mit! Mir geht es lediglich darum, dass die Bücher nicht bei „Gewinnspielgeiern“ landen, die Bücher horten und dann doch nicht lesen.
DIESE Bücher sollen gelesen werden.
Aus diesem Grund bitte ich auch darum, dass mir jeder, der eines der Bücher erhält, innerhalb von etwa 8 Wochen nach Erhalt eine kurze (gerne natürlich auch lange) Buchbesprechung, eine Rezension oder einen Leseeindruck schickt, welche dann hier im Blog veröffentlicht werden.
Bei mehreren Interessenten für ein Buch entscheidet das Los.