Archiv der Kategorie: Sachbuch

Paul Kohl/ 111 Orte in Berlin auf den Spuren der Nazi-Zeit

Peter Kohl: 111 Orte in Berlin auf den Spuren der NazisIch liebe liebe liebe es, mit einem Buch in der Hand (m)eine Stadt zu erkunden.

Nun lebe ich ja schon recht lange in Berlin, habe während meines Studiums jahrelang als Stadtführerin gearbeitet und allein deswegen ohnehin alles über die Stadt verschlungen, was mir so in die Finger kam. Wirklich Neues erwarte ich daher kaum noch von Berlin-Büchern, dieses Büchlein hat mir nun allerdings doch so einiges gezeigt, was ich noch nicht kannte, viel Vergessenes in Erinnerung gerufen und war mir in den letzten Wochen bei einigen Stadtspaziergängen ein treuer Begleiter.

Die meisten Sachen kannte ich zwar schon (bspw. die Blindenwerkstatt von Otto Weidt, das Jüdische Waisenhaus, die „Euthanasie“-Zentrale, die Comedian Harmonists, den Flakturm Humboldthain usw.), fand aber die Aufbereitung sehr gelungen.

So findet man die Beschreibung der Historie auf der linken Seite und auf der gegenüberliegenden Seite zwei Abbildungen, einmal aus der Zeit des Nationalsozialismus und darunter aus hePeter Kohl: 111 Orte in Berlin auf den Spuren der Nazisutiger Zeit, was die eindeutige Identifikation der Orte ermöglicht. Auch die Zusammenstellung der einzelnen Orte finde ich gut durchdacht.

 

Und dann waren da eben doch einzelne Sachen, die ich bislang nicht kannte.
Zum Beispiel wusste ich nicht, wo Adolf Hitlers Bruder seine Kneipe hatte, von der „Roten Kapelle“ hatte ich irgendwann zwar schon mal gehört, kannte aber weder Details noch den Ort und ebenso ging es mir mit der Fahnenfabrik Geitel, dem Großmufti von Jerusalem und seiner nationalsozialistischen Propaganda sowie dem Murellenberg.

Dadurch, dass das Buch vPeter Kohl: 111 Orte in Berlin auf den Spuren der Nazisom Titel her auf 111 Orte begrenzt ist, fehlen naturbedingt einige Orte, das tut dem Buch insgesamt aber keinen Abbruch.

Wer sich für Berlin und seine Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus interessiert und die Standard-Städteführer leid ist, wird an diesem Buch sicherlich Gefallen finden.

 

5sterne

Autor: Paul Kohl
Titel: 111 Orte in Berlin auf den Spuren der Nazi-Zeit
Broschiert: 240 Seiten
Verlag: Emons
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3954512201

Liebe – The World Book of Love

Lassen Sie uns doch mal über Liebe sprechen.

The World Book of Love/ Leo Bormans @Dumont Verlag

Liebe ist so eine Sache: Jeder erlebt sie, mal in dieser, mal in jener Form. Mal erzeugt sie Glück, mal Schmerz, Eifersucht, Leidenschaft, Hass, Hingabe … aber ein Leben ohne Liebe ist undenkbar und unmöglich. Sie wirklich zu verstehen leider auch.

Der Herausgeber Leo Bormans hat in „Liebe – The World Book of Love“ den Versuch unternommen, dem Leser die Thematik „Liebe“ aus verschiedenen Blickwinkeln näherzubringen. Dazu hat er eine Vielzahl internationaler Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen dazu gebracht, sich dem Thema anzunähern und über verschiedene Aspekte zu berichten.

Man findet in dem Buch keine bloße Abhandlung darüber, was Liebe ist.
Vielmehr ist das Buch als Lesebuch zu verstehen.
Die Kapitel sind unabhängig voneinander zu lesen und laden dazu ein, das Buch stets griffbereit (in meinem Fall auf dem Nachttisch) liegen zu haben und immer mal wieder darin zu schmökern.

The World Book of Love/ Leo Bormans @Dumont Verlag

Mir gefällt besonders gut, dass im Inhaltsverzeichnis neben dem Kapiteltitel und dem Autorennamen auch dessen Herkunftsland verzeichnet ist, denn so kann man (wenn man denn mag) die Puzzlestücke wunderbar aneinanderreihen und alles in einen internationalen Kontext setzen.
Thematisiert wird so ziemlich alles, was einem zum Stichwort Liebe einfällt, als Beispiele seien hier die Kapitel „Glückliche Singles“, „Ökonomie der Liebe“, „Die Chemie der Liebe“, „Reife Liebe“, „Liebende Eltern“, „Liebe in Vietnam“, „Heilige Regeln“ oder auch „Aus Liebe töten“ genannt.

Der Aufbau und die Zusammenstellung des Buches gefallen mir ausgesprochen gut und ich gehe stark davon aus, dass das Buch noch eine lange Zeit als Dauerlektüre auf meinem Nachttisch liegen wird, denn auch mit mittlerweile 34 Jahren stellt sich mir in Liebesdingen oft nur eine Frage: WTF?!? 😉 Da ist es dann nicht schlecht, einfach mal zum „World Book of Love“ zu greifen und so irgendeine Erklärung für die schrägen Dinge zu finden, die mal wieder geschehen.

Von mir gibt es für dieses Buch volle fünf Sterne.
5sterne

 

Ich habe das Buch inzwischen auch schon zweimal verschenkt, falls ihr also mal ein für nahezu jedermann geeignetes Buchgeschenk sucht, liegt ihr mit dem „World Book of Love“ sicher nicht verkehrt.

Herausgeber: Leo Bormans
Titel: Liebe. The World Book of Love
Broschiert: 352 Seiten
Verlag: Dumont Buchverlag; Auflage: 1 (26. August 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3832194734
Originaltitel: World Book of Love

Eric W. Steinhauer / Vampyrologie für Bibliothekare. Eine kulturwissenschaftliche Lektüre des Vampirs.

Es ist ja unter fleißigen Bloglesern kein Geheimnis, dass ich nicht unbedingt zu den größten Vampirfans gehöre. Geht mir weg mit Twilight und diesem ganzen Mist! Ich hab mich ja auch das eine oder andere Mal schon auf Twitter dazu geäußert:

In Tarantino-Manier wie bei Anonymus oder klassisch wie bei Stoker find ich sie ganz ok und ja, als Teenie hab ich auch mal die Vampirheftchen von Cora gelesen (und weiß seit dieser Woche nun auch, dass die wohl sehr angesagte Vampirserie „Vampire Diaries“ darauf beruht), ich fand den kleinen Vampir ganz toll (oder, um mal ganz ehrlich zu bleiben, v.a. seinen Cousin Lumpi in der Fernsehserie) und als Kind hatte es mir der bissige Benjamin mit der Vorliebe für Himbeereis angetan, das wars dann aber auch. Dachte ich.

Eric W. Steinhauer ist nicht nur der Mann, der mir das Urheberrecht nahe gebracht hat, sondern er ist auch derjenige, der die „Halloween Lecture“ am Institut für Bibliothekswissenschaft in Berlin hält. Als Folge der Lecture von 2010 entstand dieses Büchlein, das dank Tobias Wimbauer nun auch alle die an der wissenschaftlichen Vampirgeschichtsaufarbeitung teilhaben lässt, die zur Live-Performance  nicht erscheinen konnten. Und ich muss zugeben, es hat mich mit dem Thema Vampir ein wenig versöhnt.

Den Vampir als ein bibliothekarisches Phänomen zu beschreiben und zu verstehen, ist das Ziel dieser kleinen Abhandlung.

Steinhauer: Vampyrologie ©Eisenhut Verlag

Der Autor und sein Werk

Steinhauer nimmt uns mit auf eine Reise durch Literatur-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte auf den Spuren der Vampire, klärt eingängig die Begrifflichkeiten (jetzt kenne ich endlich den Unterschied zwischen „Vampyr“ und „Vampir“ – die Feinheiten der deutschen Sprache können solch ein Genuss sein!) und zieht den roten Faden vom Volksglauben (samt Zeugenberichten) über die literarische Verbreitung, sei es als Roman oder als wissenschaftliche Abhandlung, bis hin zum Überleben des „Nachzehrers“ in Büchern und Bibliotheken, ohne die -und das belegt der Autor mit Nachdruck- die heutige mediale Verbreitung undenkbar wäre.
Dabei wandelt Steinhauer stetig auf dem Grat zwischen Wissenschaftlichkeit und Unterhaltung, und so hat man nach Lektüre des knapp hundertseitigen Büchleins nicht nur etwas über den Vampir und dessen mannigfaltige Geschichte gelernt, sondern ist dabei auch noch durch allerlei Anmerkungen, vor allem in Form von Fußnoten, aber auch mittels Illustrationen bestens unterhalten worden.
Absolute Leseempfehlung!

In unseren Bibliotheken sind wir also von Toten oder besser von UNtoten nur so umgeben. Sobald wir ein Buch aufschlagen, suchen sie uns heim. Und wenn wir dies nicht gut dosieren, verlieren wir unsere eigenen Gedanken. Am Ende können wir gar nicht mehr unterscheiden, was von uns und was von den Büchern ist.
Abgestandene Ideen und längst überwunden geglaubte Vorstellungen können so wie modrige Vampire den Grüften der Magazine entsteigen und durch die Vitalität der Leser zu neuem Leben erwachen.

Abschließend möchte ich hier gerne noch auf Petras Blog und ihr Interview mit dem Autor verweisen.

Übrigens ist im Rahmen der Halloween Lecture 2011 ein weiteres Büchlein im Eisenhut-Verlag erschienen, in dem sich Eric W. Steinhauer diesmal mit der sagenumwobenen „Bibliotheksmumie“ befasst.

Titel: Vampyrologie für Bibliothekare. Eine kulturwissenschaftliche Lektüre des Vampirs.
Autor: Eric W. Steinhauer
Broschiert: 104 Seiten
Verlag: Eisenhut Verlag
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3942090063

Gabriel A. Neumann / Masala Highway. Abenteuer Alltag in Indien

Kurzinfo:
Masala nennen sich die Gewürzmischungen, die Curry-Gerichten ihre unverkennbare Note geben. Je nach Region, Ort oder auch Haushalt werden sie anders zusammengestellt, süßlich, mild oder scharf. Genauso vielfältig wie die Masala-Varianten ist das Land selbst, aus dem die Mischung kommt: Indien.

Der Subkontinent ist die der Bevölkerungszahl nach größte Demokratie der Welt – zugleich bleibt es aber auch das Land der bemalten Elefanten, heiligen Männer und des scharfen Essens. Was an einem Maharaja im Land der Könige modern ist und wie man die richtige von neun Eisenbahnklassen wählt, erzählt der Autor, der das Land seit Mitte der neunziger Jahre bereist. Folgen Sie ihm auf seinem persönlichen Masala Highway: Namaste und willkommen in Indien!

Quelle: Dryas Verlag

Indien liegt seit Jahren im Trend, nicht zuletzt dank des weltweiten Erfolgs der Bollywood-Filme.

Indien, das bedeutet für viele Europäer und Amerikaner: exotische Mahlzeiten, überfüllte Städte, Dschungel, Yoga, Selbstfindung.
Doch Indien hat auch darüber hinaus viel zu bieten.

Gabriel A. Neumann schafft es, die typischen westlichen Vorstellungen von Indien mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen, und das in einem vollkommen kitschfreien Reiseführer – seit „Eat Pray Love“ auch nicht mehr ganz selbstverständlich ;-).

Von Beginn an merkt man, dass der Autor selbst sehr indienerfahren ist, dass er auch abseits der ausgetretenen Touristenpfade unterwegs war, völlig untouristische Dinge entdeckt und erlebt hat.

Das Buch ist in mehrere Kapitel unterteilt, die so schöne Namen tragen wie „Die Zeit läuft anders auf Bahnsteig B“ oder „Auch Heilige müssen arbeiten“.
Im Detail befasst sich der Autor darin mit den Möglichkeiten des Reisens in Indien, mit der Religion, Bollywood und seinen Filmen, Tabus und Fettnäpfchen, Politik, den indischen Tieren und dem Alltag auf dem indischen Land. Alle Kapitel greifen ineinander, sodass man am Ende des Buches alle wesentlichen Bereiche zum Thema Indien-Reise touchiert hat. Garniert werden die Erzählungen mit einigen farbenfrohen und ausdrucksstarken Bildern, die ebenso wie der Text sehr vom eigenen Erleben des Autoren geprägt sind. Und zum Schluss kommt noch ein kleiner Anhang zum Thema Bollywood, in dem einige wesentliche Punkte des indischen Films erläutert werden – genau mein Ding, denn ich bin bekennender Bollywood-Fan ;-).

Das Buch ist keiner jener Reiseführer, die man immer dabei hat, um noch mal nachzuschlagen, sondern eher ideal zur Reisevorbereitung und zum „Appetit anregen“. Dabei ist es aber keinesfalls oberflächlich gehalten, sondern kratzt auch mal etwas kritisch an der Fassade.

Interessant und lobenswert: Mit dem Kauf des Buches wird der Verein „Deutsch-Indische Zusammenarbeit e.V.“ unterstützt, 50 Cent von jedem verkauften Buch gehen direkt an den Verein, der gemeinsam mit lokalen Partnern die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung Indiens zu verbessern versucht.

Bewertung:
Das Buch hat mir sehr gut gefallen und meine Neugier auf Indien deutlich verstärkt.
Vier Sterne.

Titel: Masala Highway. Abenteuer Alltag in Indien.
Autor: Gabriel A. Neumann
Broschiert: 174 Seiten
Verlag: Dryas
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3940855183

Herzlichen Dank an BloggDeinBuch.

[die historische Challenge] Heinz Rölleke / Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung.

So lebten sie lustig und in Freuden eine geraume Zeit, und die Fee kam nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: ’sag mir doch Frau Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng und wollen nicht mehr passen.‘ ‚Ach du gottloses Kind‘, sprach die Fee.

Heinz Rölleke liefert mit seinem nur 117seitigen Büchlein „Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung“ eine literaturhistorische Einführung, die sich mit den Brüdern Grimm und speziell deren weltbekannten „Kinder- und Hausmärchen“ (kurz: KHM) befasst.
Dabei geht es zunächst um das Vorfeld der KHM, um die Grimms und die Epoche, in der sie lebten, die Märchensammlung als eigene literarische Gattung sowie die Entstehung und Entwicklung der KHM im Laufe der Zeit.

Da man über die Grimms und die KHM bereits sehr viel weiß, beschränkt sich Rölleke auf die weniger bekannten Aspekte und möchte so lt. Vorbemerkung auch die (seiner Meinung nach mittlerweile zu einseitige) Diskussion wieder in eine offene Richtung führen.
Ob ihm dies nun wirklich gelingt, kann ich schwerlich beurteilen; ich bin keine Literaturwissenschaftlerin und habe mich als Erwachsene mit den KHM und den Brüdern Grimm bislang lediglich im historischen Kontext, marginal auch im linguistischen Kontext befasst.
Interessant fand ich das Büchlein allemal, hat es mich doch nun auf eine ganz andere Weise an die KHM herangeführt. Hierbei fand ich insbesondere die sprachliche Anpassung der ursprünglich nur bedingt kindgemäßen Märchensammlung faszinierend. Ein Beispiel davon sieht man im obigen Zitat, welches in dieser Form heute nicht mehr im Märchen über Rapunzel anzufinden ist ;-). Zwar wusste ich natürlich, dass die Märchensammlung zu Beginn recht derbe Sprache enthielt, inwiefern diese jedoch genau angepasst wurde und anhand welcher Orientierungspunkte, und wie sich der Sprachpurismus durchsetze, das war mir so im Detail neu.

Für mich als interessierten literaturwissenschaftlichen Laien enthielt das Buch so einiges Neues, dazu liest es sich für eine wissenschaftliche Abhandlung recht flüssig.

Ich habe dieses Buch im Rahmen der historischen Challenge „Der Geschichte auf der Spur“ gelesen.

Bewertung:
Vier Sterne.

 

Autor: Heinz Rölleke
Titel: Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung.
Taschenbuch: 117 Seiten
Verlag: Reclam, Ditzingen
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3150176504

Jürg Altwegg und Roger de Weck / Sind die Schweizer die besseren Deutschen?

Das Verhältnis zwischen Deutschen und Schweizern ist ein Thema, das in den letzten Monaten besonders hier in der Schweiz kontrovers diskutiert wurde und eine gewisse Spannung in sich birgt.
Dabei haben Schweizer und Deutsche ja durchaus viel gemeinsam – und sei es nur der argwöhnische Blick auf die Eigenheiten des anderen…

Immer mehr Deutsche ziehen in die Schweiz. Vielen von ihnen schlägt, offen oder verdeckt, Feindseligkeit entgegen. Den Schweizern scheint jeder Anlass recht, die Deutschen nicht zu mögen. Die Medien heizen die Stimmung an, einige Deutsche wehren sich, der Vorwurf der Arroganz steht gegen den der Fremdenfeindlichkeit. Haben die Schweizer ein Problem mit den Deutschen – oder mit sich selbst? Und wie geht es bei alledem den Schweizern in Deutschland? Jürg Altwegg und Roger de Weck, die Herausgeber der Bestseller-Anthologie „Kuhschweizer und Sauschwaben“, haben prominente Autoren gebeten, von ihren Erfahrungen zu berichten. Das ultimative Handbuch zur Deutsch-Schweizer Nachbarschaftshilfe.

Quelle: Hanser Literaturverlage

Monatelang lag dieses Buch auf meinem Nachttisch, immer wieder habe ich es zur Hand genommen, noch mal diesen Beitrag und jenes Gedicht gelesen, darüber nachgedacht. Das wird sicherlich auch so bleiben, denn es lohnt sich, die einzelnen Beiträge immer mal wieder zu lesen und sacken zu lassen.

In der Schweiz herrscht vielerorts dicke Luft zwischen Schweizern und Deutschen, dieser Konflikt hat die Landesgrenzen auch längst verlassen.
In diesem Buch findet man nun eine Sammlung von Texten und Gedichten, einige von Deutschen, andere von Schweizern und viele stellen die Frage: Haben die Schweizer wirklich ein Problem mit den Deutschen – oder doch eher mit sich selbst?

Da ist der ewige Fußballkonflikt zwischen der Schweiz und Deutschland, der die Gemüter bei jedem Länderspiel hoch kochen lässt.
Jürg Altwegg schildert unter anderem diesen Fußballkonflikt in seinem Beitrag „Keine Mauer am Rhein“ und zeichnet das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz anhand ihrer Fußballbegegnungen nach, die in direkter Relation zu den jeweiligen politischen Verhältnissen standen. Noch nie war Fußball für mich so interessant ;-). Es ist wirklich faszinierend, wie sich politische Verhältnisse im Sport widerspiegeln können.

Auch spricht Altwegg in seinem Beitrag den schweizinternen Konflikt zwischen den Welschen (den französischsprachigen Schweizern) und den Deutschschweizern an – wofür ich sehr dankbar bin.
Viele Bücher und viele mediale Beiträge unterschlagen praktisch die Existenz der Romandie. Wenn von der Schweiz geredet wird, ist die deutschsprachige Schweiz gemeint. Nicht die Romandie, nicht das Tessin, obwohl beide unbestritten ebenso fester Bestandteil der Schweiz sind.
Ich lebe in der Romandie, hier kann man nur sehr bedingt das Problem zwischen den Deutschschweizern und den Deutschen nachvollziehen (was dem Deutschschweizer die Deutschen, sind dem Romand die Franzosen – eine Hassliebe). Hier stößt es sauer auf, wenn von gewissen Politikern aus der Deutschschweiz propagiert wird: „In der Schweiz spricht man Deutsch!“.
Nein, meine lieben Politiker. In der Schweiz spricht man Deutsch, aber auch Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Die französischsprachigen Schweizer lernen Deutsch inzwischen meistens als Fremdsprache (wenn überhaupt). Hochdeutsch in den meisten Fällen. Und tun sich dann entsprechend schwer mit Schwiizerdütsch und sind froh, wenn man hochdeutsch mit ihnen spricht (obwohl es ihnen grundsätzlich am liebsten ist, wenn man französisch parliert, aus diesem Grund geben die wenigstens Romands zu, überhaupt die deutsche Sprache zu beherrschen – aber das ist ein anderes Thema …).
Doch fatalerweise mögen viele Deutschschweizer grad das Hochdeutsche nicht, es ist ihnen zu deutsch, das Idiom ist heilig, es ist ihre Identität, doch leider blockiert es auch die inländische Kommunikation.
Die Katze beißt sich im eigenen Land in den Schwanz.

In den einzelnen Beiträgen des Buches ist die Rede von der Liebe zu Land und Leuten, von der tief in uns allen verwurzelten Verbundenheit zur eigenen Heimat und Herkunft, von Mentalitäten und Identitätsgefühlen. Beides ist bei Schweizern und Deutschen gleichermaßen vorhanden, wird jedoch zuweilen verschieden ausgelebt.

Hatte ich anfänglich einfach nur wieder eins dieser Bücher erwartet, die Klischees bedienen und die gegenseitige Abneigung noch mehr fördern, wurde ich angenehm überrascht.
Klischees kommen nur am Rande vor und dienen meist dem Verständnis, die Beiträge sind allesamt fair, meist sogar liebevoll gegenüber dem Anderen.

Berührt hat mich der Briefwechsel zwischen Isabell und Peer Teuwsen, zwischen Mutter und Sohn, die 1971 in die Schweiz gekommen sind und sowohl Hass als auch Freundschaft kennenlernen durften, die hinterfragen, was Identität ausmacht, und das Ganze auf einer sehr persönlichen, fast schon intimen Ebene.

Ebenso berührt hat mich „Heimatort: Deutschland“ von Geri Müller, der Deutscher, Schweizer und Franzose in Personalunion ist und die Konflikte somit aus dreifacher Position heraus betrachten kann.Oder Sibylle Bergs Liebeserklärung in „Mein Schweiz-Museum“. Oder Felix. E. Müllers kritische, politische Betrachtung des „Muttermythos“.

Eigentlich könnte ich nun an dieser Stelle alle Beiträge aus dem Buch aufzählen, denn jeder hat etwas, das zum Nachdenken anregt. Ob da nun die Schweizer von ihrer Wahrnehmung der Deutschen schreiben und ihren Erfahrungen in Deutschland, oder die Deutschen von ihren Erlebnissen in der Schweiz und mit Schweizern: Es wird erklärt, erzählt und am Ende steht fest, dass wir uns alle sehr ähnlich sind.

Was wir wahrnehmen, hängt doch größtenteils davon ab, was wir wahrnehmen WOLLEN. Es ist unsere persönliche Einstellung, die zwischen Abneigung und Zuneigung entscheidet und nicht selten hängen wir genau dazwischen fest, nehmen die Vorurteile wahr, beziehen aber selbst nicht Stellung, weil wir gar nicht wissen, wo wir denn überhaupt nun genau stehen. Auch das kann seinen Reiz haben – und reizen.

 

Titel: Sind die Schweizer die besseren Deutschen?
Herausgeber: Jürg Altwegg und Roger de Weck
Broschiert: 160 Seiten
Verlag: Nagel & Kimche/ Hanser Literaturverlage
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3312004577

27. Januar – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
[Roman Herzog]

Immer häufiger hört man „Das ist doch alles Vergangenheit, ich will davon nichts mehr hören“, und parallel nimmt die Zahl derer, die den Nationalsozialismus für „doch gar nicht so falsch“ halten zu, parallel erhalten rechts gesinnte Parteien mehr Zuspruch und immer weniger fundiertes Wissen findet den Weg in die Köpfe der Menschen.

Erinnern ist wichtig!

Erinnern bedeutet nicht, den moralischen Zeigefinger zu schwingen, sondern es bedeutet, derer zu gedenken, die ihr Leben lassen mussten und derer, deren Leben nachhaltig beeinflusst und zerstört wurde. Erinnern an eine Zeit, in der schon eine „falsche Abstammung“ (man beachte hierbei bitte die Anführungszeichen), eine psychische Störung, eine geistige oder körperliche Behinderung oder eine von der herrschenden Mehrheit abweichende Weltanschauung ausreichten, um als „lebensunwert“ abgestempelt zu werden.

Erinnern bedeutet, nicht zu vergessen.

Anlässlich des 27. Januars möchte ich euch heute fünf Bücher vorstellen, die dabei helfen, nicht zu vergessen.

Eugen Kogon: Der SS-Staat

Eugen Kogon (1903-1987), Autor dieses Buches, gilt als einer der „intellektuellen Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland“.
Er war Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler, Sohn eines jüdisch-russischen Diplomaten und Katholik.
Kogon war schon früh ein Gegner des Nationalsozialismus, wurde erstmals 1936 von der Gestapo verhaftet und schließlich 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen überlebte Kogon das Konzentrationslager und begann direkt nach Kriegsende damit, das Buch „Der SS-Staat“ zu verfassen, welches 1946 erstmals veröffentlicht wurde. Seitdem ist es in zahlreichen Auflagen erschienen, wurde häufig aktualisiert und gilt als eines der Standardwerke über die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Das Buch analysiert den Aufbau und den beabsichtigten Zweck der Konzentrationslager, berichtet vom Alltag in den Lagern, vom Miteinander und auch von Konflikten der Häftlinge, vom Überlebenskampf und den Verbrechen vonseiten der Nationalsozialisten.
Obwohl Kogon als ehemaliger Häftling aus erster Hand berichtet, ist sein Schreibstil sehr sachlich.
Er dokumentiert und verzichtet dabei auf plakative oder emotionsüberladene Sprache, ebenso auf pauschale Schuldzuweisungen. Genau dieser Stil ist es, der dafür sorgt, dass so manche Passage des Buches einen direkt wie ein Schlag in den Magen trifft. Seine Schilderungen, in diesen nüchternen Stil verpackt, machen das ganze Ausmaß nationalsozialistischer Verbrechen verständlich und helfen, das Konzept der Konzentrationslager und deren ganz eigene Gruppendynamik nachvollziehen zu können.

Von mir gibt es für dieses Buch eine unbedingte Leseempfehlung.

Broschiert: 432 Seiten
Verlag: Nikol Verlag
ISBN-13: 978-3868200379

Carlo Ross: Im Vorhof der Hölle: Ein Buch gegen das Vergessen.

1942 wird der 14-jährige Jude David Rosen nach Theresienstadt gebracht.
Dieses Lager, von den Nazis als »Vorzeige-KZ« konzipiert um es der Presse und ausländischen Besuchern vorzuführen, wird von seinen Bewohnern auch »Vorhof zur Hölle« genannt.
Jeder hier weiß, dass es aus Theresienstadt nur einen Weg gibt: in die Vernichtungslager.
David merkt schnell, dass hinter der künstlichen Fassade der gleiche brutale Alltag von Terror und Angst herrscht, dem die Juden in dieser Zeit überall ausgesetzt sind.

Er hat nur ein Ziel: Er will überleben.

Quelle: DTV

Das Buch ist in der Ich-Perspektive gehalten und zeichnet sich durch eine einfache, oft sachliche und immer gut verständliche Sprache aus. Es wendet sich vor allem an jugendliche Leser und ist gewissermaßen die Fortsetzung des Buches „…aber Steine reden nicht“, das ebenfalls von David handelt und sich mit den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1938 befasst. Beide Bücher sind auch unabhängig voneinander gut zu lesen.

Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 978-3423780551
empfohlenes Alter: 12 – 14 Jahre

Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich.

Zwei Jungen wachsen im selben Haus auf und gehen in die selbe Schulklasse. Jeder wird als einziges Kind von verständnis- und liebevollen Eltern erzogen. Selbstverständlich werden sie gute Freunde und jeder ist in der Familie des anderen daheim. Doch Friedrich Schneider ist Jude und allmählich wirft der Nationalsozialismus seine Schatten über ihn. Langsam gleitet die Geschichte aus der heilen Kinderwelt in ein unfassbares Dunkel.

Quelle: DTV

Dieses Buch ist bei vielen Lehrern seit vielen Jahren Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Friedrichs Geschichte steht exemplarisch für die Geschichte vieler jüdischer Kinder. Doch oft wird es einfacher, die Dinge zu begreifen, wenn man sie anhand eines einzelnen, konkreten Beispiels berichtet bekommt – so wie hier am Beispiel des kleinen Friedrich.

Taschenbuch: 141 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 978-3423078009
empfohlenes Alter: 12 – 14 Jahre

Margret Hamm/ Walburga Borgert/ Sabine Henning-Blome (Hgg.): : Lebensunwert – zerstörte Leben: Zwangssterilisation und „Euthanasie“

Das Vergangene ist nie tot; es ist nicht einmal vergangen.“
[William Faulkner]

1933 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Infolgedessen wurden rund 350.000 Menschen durch Zwangssterilisation ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beraubt und 300.000 Menschen nach 1939 als „lebensunwert“ stigmatisiert.

Das Buch gibt einen thematischen Überblick und ist in zwei Blöcke unterteilt: Im ersten Teil findet man exemplarische Lebensgeschichten, während im zweiten Teil die Forschung zu Wort kommt.
Dazu gibt es viele Abbildungen und weiterführende Fußnoten.

Broschiert: 254 Seiten
Verlag: Vas-Verlag für Akademische Schriften
ISBN-13: 978-3888643910

Margret Kampmeyer/ Cilly Kugelmann/ Marie Naumann (Hgg.): Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus.

„Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus“ befasst sich mit der Entwicklung und Radikalisierung des nationalsozialistischen Rassenwahns.

Dieses Buch enthält Beiträge verschiedener Autoren, unter anderem von Hans-Walter Schmuhl, Gerrit Hohendorf, Maike Rotzoll, Thomas Beddies und Petra Fuchs (wer sich bereits einmal mit der Thematik befasst hat, dem werden diese Namen sicherlich geläufig sein). Dazu kommen zahlreiche Abbildungen und neun Lebensgeschichten.

Es gibt fünf Oberkategorien in dem Buch:
– Das „Dritte Reich“ als biopolitische Entwicklungsdiktatur
– Die Zwangssterilisierung
– Die Aktion T4
– Die Tötung „lebensunwerter“ Kinder im Nationalsozialismus
– Der dezentrale Krankenmord

Dieses Buch setzt etwas Vorwissen voraus, dürfte für an der Thematik Interessierte jedoch sehr aufschlussreich sein. Zahlreiche Fußnoten verweisen dann auf weiterführende Lektüre.

Broschiert: 135 Seiten
Verlag: Wallstein
ISBN-13: 978-3835304680