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Annick Cojean/ Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis

„Die vorliegenden Recherchen verdanken viel dem Engagement einer mutigen, unabhängigen Libyerin. Einer Rebellen-Anführerin, die sich vom ersten Tag an mit Leib und Seele der Revolution verschrieben hat und jede Gefahr auf sich nahm, um in aller Diskretion und Zurückgezogenheit Frauen in größter Not zu helfen; Frauen, die Opfer dieses schändlichen Verbrechens waren, das von Gaddafi selbst verübt oder von ihm befohlen wurde und das anzuerkennen Libyen sich bis heute schwertut.“

Annick Cojean - Niemand hört mein Schreien. Gefangen im Palast Gaddafis

Wir schreiben das Jahr 2013.
Während in Deutschland Frauen um die Frauenquote kämpfen und die tatsächliche gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau erarbeiten, Sexualdelikte jedweder Form geahndet werden und Gewalt ebenfalls, leben nicht weit entfernt von uns, aber anscheinend in einer vollkommen anderen Welt, Frauen, die sich nicht zeigen dürfen. Deren Missbrauch und Folter von der Gesellschaft als Schmutz, als eigenes Fehlverhalten, als Schande betrachtet werden. Die mit dem Leben bezahlen müssen, weil ihnen Gewalt angetan wurde.

Die Revolution in Libyen haben wir wohl alle mitbekommen, über Nachrichten, Twitter, Facebook. Live-Streams aus einem Krieg, Krieg 2.0.
Zu der Zeit lebte ich in der Schweiz und hatte seit 2008 eifrig jede Information über Libyen und Gaddafi gelesen. Die Schweizer Berichterstattung war eine vollkommen andere als die in Deutschland; hatte ich in Deutschland vielleicht ab und an mal den Namen Gaddafis gehört, tauchte er in der Schweizer Medienlandschaft praktisch jeden Tag auf, vor allem in der Romandie, wo sich der Gaddafi-Clan nicht selten persönlich herumtrieb.
Ich würde sagen, dass ich relativ gut informiert war über Gaddafis Diktatur und Politik.
Was ich jedoch in diesem Buch las, und was immer häufiger auch in der internationalen Berichterstattung belegt wird, schuf neue Dimensionen.

„Muammar al-Gaddafi propagierte einen aufgeklärten Islamismus und die Gleichberechtigung der Frau, offiziell existierte unter Gaddafi keine Gewalt gegen Frauen – dabei, so wird nun bekannt, hielt der Diktator über Jahrzehnte unzählige Mädchen und Frauen im Keller seines Palastes gefangen, misshandelte und missbrauchte sie.“

Nach außen Verteidiger der Frauen, in Wahrheit ihr schlimmster Gegner; Prediger und Vater des modernen Islamismus, aber hinter der Mauer ein Säufer, Drogenabhängiger, der im Rausch Frauen, aber auch Männer missbrauchte und erniedrigte, das war Gaddafi.
Gefiel ihm eine junge Frau, die er bei einem öffentlichen Anlass sah (so besuchte er z.B. nur aus diesem Grund Schulen und Universitäten), legte er ihr die Hand auf den Kopf. Das war das stumme Zeichen für seine Gefolgschaft, ihm dieses Mädchen, und sei es noch so jung, zu eigen zu machen. Es in seinen Keller zu verschleppen, seiner Familie zu entreissen und ihm den Glauben an das Gute für immer zu zerstören. Dabei halfen ihm zahlreiche Machtbesessene; Männer, erschreckenderweise aber auch viele Frauen.
In jeder Stadt, sogar unterirdisch auf dem Campusgelände der Universität in Tripolis, hatte Gaddafi seine „Folterkammern“: Zimmer mit Bett, Bad und Sex“spielzeug“, die er zwischen Politik und Show täglich mehrmals aufsuchte, denn er konnte nie genug bekommen. Nicht genug von Frauen, von Männern, von Drogen, Alkohol, von Macht, es war nie genug.

Ich kann und möchte dieses Buch nicht bewerten.
Stilistisch mag es seine Schwächen haben, das ist recht offensichtlich, doch sind sein Inhalt und seine Intention über diese Schwächen erhaben.

Es ist ein Zeitzeugnis, das ich für wichtig und absolut lesenswert halte und über das zu schreiben mir schwer fällt. Die Ausmaße Gaddafis Tyrannei sind entsetzlich und ebenso, wenn nicht sogar noch viel entsetzlicher, ist die Tatsache, dass seine weiblichen Opfer bis heute statt Gerechtigkeit nur Schweigen ernten – im besten Fall. Im schlimmsten Fall Schande und Tod.
Es ist mir unbegreiflich, dass es auch im neuen, postrevolutionären Libyen keine Gerechtigkeit, nicht einmal Akzeptanz für die vielen von Gaddafi und seinem Clan misshandelten, vergewaltigten, erniedrigten und gequälten Frauen gibt.

„Und auf der ganzen Welt werden Frauen weiterhin schweigen. Schamhafte Opfer eines Verbrechens, das ihren Körper zu einem Machtobjekt oder zu einer Kriegsbeute macht. Sie sind die Zielscheibe von Raubtieren, denen unsere Gesellschaften, von den barbarischsten bis zu den höchstentwickelten, immer noch eine erbärmliche Nachsicht entgegenbringen.“

Umso wichtiger, dass wenigstens einige wenige nicht schweigen und den Mut haben, die Welt über das aufzuklären, was geschah.
Ich ziehe meinen Hut vor all den Frauen und den wenigen Männern, die der Journalistin Annick Cojean bei der Entstehung dieses Buches halfen und so den Opfern, wenn schon nicht Gerechtigkeit, so doch wenigstens Gehör verschafften.

„Ich entdeckte, dass der in einer Familie armer Beduinen geborene Diktator mit dem Sex regierte, besessen von der Vorstellung, eines Tages auch die Frauen oder Töchter der Reichen und Mächtigen, seiner Minister und Generäle, die von Staatschefs und Souveränen zu beschlafen. Den Preis dafür wollte er bezahlen. Jedweden Preis. Da kannte er keine Grenzen.
Aber darüber zu reden ist das neue Libyen nicht bereit. Tabu! Dabei zögert man keineswegs, Gaddafi zu belasten und zu fordern, dass die zweiundvierzig Jahre seiner absoluten Macht mit all ihren Schändlichkeiten ans Licht kommen. Man spricht von den Misshandlungen der politischen Gefangenen, den Ausschreitungen gegen Oppositionelle, der Folterung und Ermordung von Rebellen. Man wird nicht müde, seine Tyrannei und seine Korruption anzuklagen, seine Doppelzüngigkeit und seinen Wahnsinn, seine Manipulationen und seine Perversität. Und man fordert Entschädigung für alle seine Opfer. Aber von den Hunderten junger Mädchen, die er sich unterworfen und die er vergewaltigt hat, will man nichts hören. Sie sollten sich verkriechen oder, unter einem Schleier verborgen, ihren Schmerz zu einem Bündel geschnürt, ins Ausland gehen. Das Einfachste wäre, sie würden sterben. Manch einer der Männer in ihren Familien wäre schon bereit, das zu übernehmen.“

Lest dieses Buch.

Autorin: Annick Cojean
Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis
Originaltitel: Le Proies. Dans le harem de Kadhafi
Gebundene Ausgabe: 296 Seiten, gelesen als eBook
Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 2 (6. März 2013)
gelesen auf: Deutsch
ISBN-13: 978-3351027667

E. L. James/ Shades of Grey 1-3

Dies wird eine Keinerezension.
Zum Thema „Shades of Grey“ gibt es bereits genügend Rezensionen und Besprechungen, und es wurde wohl auch schon alles gesagt.
Stattdessen möchte ich einfach nur kurz und schmerzfrei (haha, ein unfreiwilliges Wortspiel passend zum Thema) meine Eindrücke wiedergeben.

Dass ich zum ersten Band gegriffen habe, war mehr oder weniger dem Umstand geschuldet, dass ich liebeskummergeplagt durch den Buchladen schlich und auf der Suche nach seichter Unterhaltung war. Das Cover sprang mich an, hier und da hatte ich bereits von dem Titel gelesen, wenn auch wenig schmeichelhaftes, kurz: Das Buch schien mir ideal und ohne großartigen Anspruch.
Umso überraschter war ich selbst, dass ich beim nächsten Sonnenaufgang das Buch bereits aus- und die gesamte Nacht hindurch gelesen hatte.
Yay, ein fesselndes (schon wieder so ein Wortspiel) Buch ohne jedweden literarischen Anspruch, einfach so zum inhalieren und nach Gebrauch weglegen. Ich gebe zu, der erste Band hat mir sogar irgendwie Spaß bereitet mit seiner dümmlichen Protagonistin und den aneinandergereihten Klischees und der unglaublich vorhersehbaren Handlung. Das war genau die Lektüre, die ich gesucht hatte.

Noch mehr Spaß bereitete mir der öffentliche Aufschrei ob des „skandalösen“ Inhalts. Skandalös? Ok, da kann man sich drüber streiten, ich für meinen Teil wüsste nicht, was im Jahre 2012 skandalös an Handschellen, Fesselspielen oder dem bisschen Po verhauen sein soll; und auch, dass solche Inhalte von einer Frau verfasst wurden, stellt in meinen Augen keinen Skandal dar. Man stelle sich vor, auch Frauen leben sich sexuell aus und das Abendland ist davon noch nicht untergegangen und der Himmel ist auch noch dort, wo er hingehört.
Dann fielen noch Ausdrücke wie „Hausfrauenporno“ – ja, na und? Schlimm genug, dass das Wort „Hausfrau“ anscheinend per se eine Beleidigung darzustellen scheint, nein, offenbar darf man als Hausfrau auch kein Sexleben, ob nun ausschweifend oder langweilig oder einfach vollkommen normal, haben.
Herrje, hinterwäldlerischer gehts kaum noch, mögen die Herrschaften, die solche Begrifflichkeiten verwenden, doch bitte mal langsam in der Gegenwart ankommen und ein wenig sprachsensibilisierter agieren.
MIR hat dieser erste Band Spaß bereitet und daraus mache ich auch kein Geheimnis.

Angenehm überrascht bestellte ich sogleich Band 2 und 3 vor, die ich dann auch wenige Wochen später in Händen hielt.
Doch trotz all der Vorfreude konnte Band 2 mich kaum noch mitreißen.
Was ich in Band 1 als angenehm und seicht plätschernd empfunden hatte, kam mir nun ein wenig lahm vor (beinahe hätte ich „ausgelutscht“ geschrieben, bei diesem Buch fliegen einem die Wortspiele ja geradezu zu). Wiederholung an Wiederholung.
Und was war denn nun mit diesen medial immer wieder thematisierten tabubrechenden Sexszenen? Ich konnte keine finden.
Mit viel gutem Willen war da einiges FSK18, aber tabubrechend? Wild? Weltenerschütternd?
GÄHN.
Was an „Ich werde dich jetzt ficken. Hart.“ so unglaublich neu sein soll, entzieht sich meiner Erkenntnis.
Aber gut, ich las weiter und nach etwas mehr als einer Woche hatte ich Band 2 dann auch durch, allerdings ganz ohne den Leseflash, den ich beim ersten Band gehabt hatte. Hatte mich vorher noch interessiert, wie es mit den Protagonisten weitergehen würde, empfand ich nun nur noch ein „Naja, mal gucken, vielleicht passiert ja noch mal was.“

Und dann kam Band 3. Und damit auch die Erklärung, warum ich zu diesen Büchern keine Rezension schreibe: Ich habe nur etwa 30 Seiten durchgehalten.

 
Das. Ging. Mal. Gar. Nicht.
Langweiliglangweiliglangweiliglangweiliglangweiliglangweiliglangweiliglangweilig.

Die ewig gleichen Dialoge, eine Handlung, die nicht mehr seicht plätscherte, sondern eher miefig vor sich hin dümpelte, die angenehm leichte Sprache zu dümmlichem IQ<80 verkommen. Selbst ein „Warum liegt hier eigentlich Stroh?“ hätte das Buch sprachlich aufgewertet.
Noch schnell zum Ende geblättert – ach, na das hätte ich gar nicht erwartet (oaaaarrrr, wie einfallsreich, klischeefrei, waaaaahnsinnig originell …), herzhaft gegähnt und weg mit dem Buch.

Vielleicht schenke ich die Reihe meiner Mutter zu Weihnachten.
Ehrlich gesagt fürchte ich mich aber vor anschließenden „Kind, lass mich dir mal erzählen, was guter Sex ist“-Aufklärungsgesprächen.

[Gastrezension] Lukas Hartmann / Finsteres Glück

Ich freue mich sehr, euch heute erneut eine wunderschöne, gefühlvolle Gastrezension von Amy vorstellen zu dürfen.

Lukas Hartmann: Finsteres Glück   ©Diogenes VerlagSchon recht weit am Ende angelangt, notierte ich mir – einer spontanen Eingebung folgend – meinen eigenen, wesentlich optimistischer gefärbten Titel für dieses kleine, feine Buch: „Familienzusammenführung“ (leider verkauft sich Spektakuläres besser).
Denn obwohl der Kern des Plots exakt das Gegenteil dessen bildet, nämlich die tragische, plötzliche Zerstörung einer fünfköpfigen Familie, einen fürchterlichen, abrupten Riss, dreht sich am Ende doch alles nur darum: Um das, was geblieben ist, zu kitten, zu heilen, die scheinbar nicht (mehr) passenden Bausteine doch wieder irgendwie zusammen zu basteln.
Die alte, verlorene Familie durch ein völlig neues Konstrukt zu ersetzen, mühsam … gewagt, unorthodox.

Ein achtjähriger Junge, Yves, wird Zeuge eines Autounfalls, bei dem sämtliche Mitglieder seiner Familie – Vater, Mutter, Schwester, Bruder – auf dem Heimweg von einer gemeinsam bestaunten Sonnenfinsternis ums Leben kommen. Yves kleine, heile Welt, die längst doch schon keine mehr war, hört binnen weniger Sekunden auf zu existieren. Der Familienwagen bricht in einem Tunnelabschnitt aus unerfindlichem Grund plötzlich aus und kracht ungebremst an die Wand.
Nur Yves überlebt die Tragödie und droht an ihr zu zerbrechen, ins Wahnhafte abzudriften, in der verzweifelten Hoffnung, die geliebten Toten durch imaginäre Gespräche ins Leben zurück zu rufen.
Es ist Aufgabe der erfahrenen Trauma-Psychologin Elaine, und ihr schon bald ein Herzensanliegen, seinen überwältigenden Schmerz über den erlittenen Verlust ins Bewusstsein zu locken, damit er betrauert und integriert werden kann in ein kleines Leben, das ebenfalls zu verlöschen droht.

An Kastanien dachte ich, an Moorwasser, in dem sich der Herbstwald spiegelt …

Die unidentifizierbare Farbe von Yves Augen lässt Elaine nicht mehr los, irgendetwas in ihm rührt sie über alle Profession hinaus und lässt mehr und mehr die Mutter in ihr zu Tage treten.
Eine Mutter, die mit ihren beiden Töchtern in ihrem eigenen Kampf gegen Ablösung, Widerstand, Emanzipation gefangen ist und die mit deren unterschiedlichen Vätern noch längst nicht abgeschlossen hat. Diese fragmentarische Kleinfamilie bildet den Kontrast zu dem für immer Verlorenen. Auch die lebendige Kleinfamilie ist in Auflösung begriffen, sehr zerbrechlich; aber auf einmal ist da Yves – und durch die unfassbare Tragödie, die ihn wie ein schwerer Mantel umhüllt, gelingt es ohne sein eigenes bewusstes Zutun, das in Starrsinn und Sturheit aneinander geschmiedete Dreiersystem langsam aufzuweichen.

Das ist schön zu lesen, herzerwärmend und niemals platt oder billig pathetisch, gar voyeuristisch.
Yves droht an seinem unausgesprochenen Schmerz zu ersticken, man kann es fast körperlich spüren – und wie die drei Mitglieder der (noch) heilen Familie sich erst mit Mitleid und dann mit Liebe und Intuition einbringen, jedes auf seine eigene Weise, um dadurch selbst ungewollt wieder ein Stück weit zusammen zu rücken, das geht schon ans Herz.
Hilfe der (hilflosen) Außen- und doch Nahestehenden kann nur insoweit geleistet werden, als sie eben präsent sind, intensiv und doch geduldig an seiner Seite abwarten, und sich im entscheidenden Moment ungefragt und bereitwillig als Auffangbecken für Tränen, Geschrei, Wutanfälle und den ewigen brennenden Schmerz zur Verfügung stellen.
Mehr kann nicht getan werden.

Dieses Buch über eine Horrorerfahrung, vor der niemand von uns gefeit sein kann, ist zugleich ein positives Beispiel für einen würdevollen, achtsamen Umgang mit den Geschädigten, den Leidenden – ob wir nun selbst unmittelbare Betroffene, LeidTRAGENDE, sind oder „nur“ schreckerstarrte Beobachter.
Letztendlich rückt ein jeder Einzelne der sich um Yyes behutsam kümmernden Parallel-Familie ab vom eigenen Egoismus, von den Ärgernissen und Nichtigkeiten des eigenen Alltags und wird dadurch ein winziges bisschen erhöht zu einem besseren, einem mitfühlenden, mitleidenden Menschen.
Und ganz am Schluss, soviel sei hier verraten, wird sich die Kleinfamilie vergrößert haben.

Fazit:
Für mich persönlich ist es wichtig, dass Bücher von Leid und Elend und dem Umgang mit beidem so wahrhaftig wie möglich erzählen. Ohne Beschönigung, ohne Theatralik, ohne romantisierendes Beiwerk; meiner Ansicht nach beherrschen Bücher und Traktate über großherzige Möchtegern-Heldentaten und den Sehnsuchtswünschen nach einem möglichst leicht zu lebendem Leben leider zu unrecht den Markt. Ich brauche, ja, mich hungert nach Literatur, die von Leid und leidvoller Erfahrung exakt so berichtet, dass sie mich nicht in tiefer Niedergeschlagenheit regunglos verharren lässt, sondern mir bei aller bedrückender Beschreibung von Tod und Düsternis auch immer noch Hoffnung schenkt und mich dazu anspornt, auf meine eigene bescheidene Art und Weise das Leid der Welt wenigstens ein klitzekleines bisschen zu lindern.
Vielleicht auch deshalb der Titel „Finsteres Glück“.
Um die Feinheit und Klarheit der Sprache des Autors deutlich zu machen, hier ein kurzer Textauszug:

Wolken, die an nasse Lappen in ausgewaschenen Farben erinnerten, alles mit Graustich, und dann, wie eine blendende Faust, die dazwischenschlug, das kurze Erscheinen der Sonne.


Bitte unbedingt lesen!!!

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Titel: Finsteres Glück
Autor: Lukas Hartmann
Broschiert: 320 Seiten
Verlag: Diogenes
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3257240948

[abgebrochen] Hörbuch: Bernd Stelter/ Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben

Worum geht es?
Herr Stelter, der ehemalige Pfundskerl, hat ordentlich abgenommen und wie jeder andere Promi mit Diäterfolg muss er also nun auch in Buch- und Hörbuchform davon berichten …

Grund des Abbruchs:
Laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig.
Nicht nur, dass Herr Stelter so gar keine Hörbuchstimme hat (also zumindest nicht für meine wählerischen Ohren), er schwafelt und labert und schwafelt und labert, und zwar ausschließlich langweiliges Alltagsgeschwätz.
Für Stelter-Fans mag das wenigstens amüsant sein, da ich mit dem Stelter-Humor aber so gar nicht kompatibel bin, hat es mich einfach nur entsetzlich angeödet und wurde irgendwann dermaßen nervig, dass ich schnell und schmerzlos abgeschaltet habe.

Am liebsten würde ich null Sterne vergeben, aber ich halte mich mal schön brav an meine eigene Regel, die da besagt: Bewerte nur, was du wirklich gelesen/ gehört hast. Aber es fällt diesmal wirklich schwer. Wirklich.

Denis Avey und Rob Broomby/ Der Mann, der ins KZ einbrach

Ich bin fremdgegangen. Sozusagen ;-).
Die liebe Dorota, auch bekannt als Bibliophilin, hat mich gefragt, ob ich Interesse daran hätte, für sie das Buch „Der Mann, der ins KZ einbrach“ zu rezensieren.
Klar, hatte ich!
Die Rezension ist nun auf ihrem Blog erschienen und netterweise darf ich sie auch hier noch einmal veröffentlichen.
Die Auseinandersetzung mit dem Buch war überaus interessant, darum an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an dich, Dorota!

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Als Historikerin mit Arbeitsschwerpunkt Nationalsozialismus lese ich viele Bücher zu dem Thema und selbstverständlich auch solche, die nicht unbedingt als Fachliteratur oder als authentische Biographie anzusehen sind. Dabei bleibt allerdings immer ein Funken Skepsis im Hinterkopf aktiviert; man muss wachsam bleiben, darf nicht alles glauben, was einem präsentiert wird, insbesondere dann nicht, wenn es weder belegende Quellen noch Zeugen für das geschilderte Geschehen gibt.
Dieses Buch hat mich in dieser Herangehensart bestätigt.

Denis Avey, geboren 1918 und aus einer wohlhabenden Familie stammend, meldete sich im Zweiten Weltkrieg als Freiwilliger zum Militärdienst und wurde während des Afrika-Feldzugs eingesetzt.
Die Details des Feldzugs sind schier unglaublich und erstrecken sich über die ersten etwas mehr als 100 Seiten des Buchs. Da werden Personen akribisch beschrieben, Fahrzeuge, Gefechtstellungen, das Wetter, Gedankengänge. Zahlreiche Details in Hülle und Fülle, über die man sich in einem Roman nicht wundern würde – aber in einem autobiographischen Werk, das Erlebnisse von vor über 60 Jahren schildert, kommt man angesichts dieser Akribie um das Wundern doch nicht herum. Aber nun gut, vielleicht hat Mr. Avey trotz seiner über 90 Lebensjahre ein unglaubliches Gedächtnis, wer weiß das schon.
Der junge Avey gerät in ein Gefecht, wird verletzt und gefangen genommen und gerät nun auf Umwegen in das Kriegsgefangenenlager E715, das unmittelbar neben dem Konzentrationslager Monowitz (Monowice) liegt, auch bekannt als Auschwitz III. Das Leben im Lager ist nicht leicht, doch nicht mit dem Elend zu vergleichen, dass Avey nebenan, im KZ, erahnt. Er sieht die jüdischen Gefangenen, abgemagert und ausgemergelt. Sie müssen gemeinsam mit den Kriegsgefangenen für die IG Farben arbeiten. Und er lernt den holländischen Juden Hans kennen.
Avey will sich selbst ein genaues Bild vom Leben der Juden in Auschwitz machen und so beschließt er, mit Hans für eine Nacht die Rollen zu tauschen, als Gegenleistung bekommt der Holländer Zigaretten, eine beliebte Währung, mit der sich auch der Kapo bestechen lässt. Lange bereitet Avey sich auf den Austausch vor, rasiert sich die Haare, wird noch dünner. Sie wechseln die Kleidung und so wird aus Avey der Jude Hans. Zum Glück geht alles gut, der Rücktausch klappt, angeblich tauschen er und Hans noch ein weiteres Mal die Rollen. Avey ist über das Erfahrene schockiert und tut nun alles in seiner Macht stehende, um Hans und anderen das Leben ein wenig zu erleichtern. Wie sich das für einen  (angeblichen) Helden eben gehört. „Erzähl ihnen von uns!“, geben ihm die Gefangenen mit auf den Weg.
Doch angeblich will nach Ende des Kriegs niemand die Geschichten vom Elend der Juden hören. Und so schweigt Avey. Schweigt über 60 Jahre lang, bis ihn zufällig der Journalist Rob Broomby ausfindig macht, einen Film über ihn dreht und mit ihm zusammen ein Buch über seine Erinnerungen schreibt.

Der Leser bleibt zurück mit Zweifeln.
Avey war Kriegsgefangener in E715, das zumindest ist zweifelsfrei wahr.
Doch war so ein Personentausch überhaupt denkbar?
Die noch lebenden Zeitzeugen aus beiden Lagern sagen übereinstimmend „nein“.
Und doch will Avey es geschafft haben. Und dann schweigt er so lange? Obwohl ihm doch die Worte der Juden und die Bitte, an sie zu erinnern, so auf der Seele lasten? Und vor allem: Wem hat es genützt? Wem hat diese waghalsige, riskante Aktion genützt, warum sollte jemand so etwas getan haben?
Fragen über Fragen, Zweifel an Zweifel.

Der Jüdische Weltkongress hat ebenfalls Zweifel am Wahrheitsgehalt des Buches, den Verlag zu einer Prüfung der Echtheit der Geschichte aufgefordert und fürchtet eine „Trivialisierung des Holocaust“:
„We are deeply concerned about the charges that a significant part of Mr. Avey’s story, i.e. that he supposedly smuggled himself into the Auschwitz-Buna concentration camp, may be exaggerated if not largely fabricated. If this book turns out to be the latest in a succession of false or partly fictionalized Holocaust tales, following on such hoaxes as Binjamin Wilkomirski’s ‘Fragments: Memories of a Wartime Childhood’ and Herman Rosenblat’s ‘Angel at the Fence’, its publication could be a boon to Holocaust deniers and others who seek to trivialize or disparage the cataclysmic murder of more than 6,000,000 European Jews during World War I.“

Die Gedenkstätte Yad Vashem denkt nicht im Traum daran, Avey auszuzeichnen und lehnt eine Ehrung in der „Allee der Gerechten“  ab, solange nicht eindeutige Beweise für die Echtheit der Geschichte vorliegen (auch wenn Co-Autor Broomby das Gegenteil noch so oft medial verbreitet – was sagt allein das schon über die Glaubwürdigkeit eines unter seiner Mitarbeit entstandenen Buches aus?).
Piotr Setkiewicz vom Museum Auschwitz bezweifelt ebenfalls die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Die britischen Kriegsgefangenen seien zu eindeutig zu erkennen gewesen, selbst wenn sie mit den jüdischen Gefangenen die Kleidung gewechselt hätten. Kaum einer von ihnen sprach Deutsch und die Kapos hätten regelmäßig ihre Gruppen durchgezählt. Dazu die allgegenwärtige SS. Das Risiko, so Setkiewicz, sei einfach zu groß gewesen. Er geht vielmehr davon aus, dass Avey während der Gefangenschaft im Lager E715 Geschichten über Auschwitz gehört und unter anderem daraus seine eigene Geschichte zusammengesetzt hat.

All diese Zweifel fasst die FAZ in einem überaus kritischen Beitrag zusammen: http://www.faz.net/artikel/C30870/umstrittenes-buch-schoa-zum-anfassen-30337614.html

Sicherlich waren allein der Kriegseinsatz und die Gefangenschaft traumatische Erlebnisse. Eine wahrheitsgemäße Schilderung dieser (belegbaren!) Geschehen wären in meinen Augen ausreichend gewesen, um ein Buch zu schreiben. Doch offenbar reicht die Wahrheit allein nicht aus, schon gar nicht, wenn ein ehrgeiziger Journalist mit im Spiel ist.

Unwahrheit im Zusammenhang mit solchen Berichten ist jedoch ein Schlag ins Gesicht all jener, die Opfer des Holocausts geworden sind und ebenso all jener, die an der wahrheitsgemäßen Aufarbeitung des Holocausts und des Nationalsozialismus arbeiten.
Unwahrheit ist, wie es der Jüdische Weltkongress zurecht befürchtet, der Wegbereiter der Trivialisierung eines unmenschlichen, kaum vorstellbaren, grausamen Geschehens, dessen Gedenken es zu bewahren gilt, damit es sich nicht wiederholt.

Vereinzelt findet man eine gute Bewertung dieses Buches, doch vermisse ich dort jegliche kritische Auseinandersetzung mit dem Text. Die Rezensenten haben das Buch wie einen Roman behandelt; es geht ans Herz, also muss es gut sein und was ans Herz geht, kann ja auch nicht gelogen sein … doch, kann es. Ob es in diesem Fall so ist, sei mal dahingestellt, man wird es wohl nie wirklich erfahren, aber gesunde Skepsis im Umgang mit Büchern wie diesem sei wirklich jedem am Thema Interessierten ans Herz gelegt.

[weggelegt] Eva Baronsky / Herr Mozart wacht auf

Inhalt: Am Abend hat er noch auf dem Sterbebett gelegen, am nächsten Morgen wacht er mitten in Wien auf – rund 150 Jahre später mehr als 200 Jahre später. Wolfgang Amadé Mozart weiß nicht, wie ihm geschieht. Es ist laut, die Fuhrwerke fahren ohne Pferde, die Musik kommt aus schwarzen Kästen und die Menschen sind seltsam, hektisch, wissen gute Kompositionen kaum noch zu schätzen. Mozart weiß nicht, wieso er in dieser Zeit gelandet ist, aber er muss sich irgendwie durchschlagen…

Meinung:
Eva Baronsky schreibt großartig. Ich mag ihren Stil wirklich sehr, sie hat hervorragend recherchiert und das Buch vermag sicherlich jeden Wien- und Mozart-Liebhaber zu fesseln.
In Wien war ich leider noch nie und ich bevorzuge musikalisch gesehen in Sachen Klassik doch eher Bach. Vielleicht liegt es ja daran, dass das Buch mich nicht erobern konnte? Am Schreibstil der Autorin lag es jedenfalls nicht, das möchte ich an dieser Stelle betonen. Manchmal passt es eben nicht und anscheinend war das bei mir und Herrn Mozart einfach der Fall. Irgendwann war es mir zu mühselig, mich in die „Musiksprache“ hinein zu denken und ich wollte schlussendlich dann gar nicht mehr wissen, wie die Geschichte endet.

Falls sich jemand brennend für Herrn Mozart interessiert und dem Buch ein neues Zuhause und meinem Blog eine anständige Rezension spendieren möchte, dann bitte einfach über das Kontaktformular melden. Wer zuerst kommt… na, ihr wisst schon. 😉

Das Buch hat rasend schnell ein neues Zuhause gefunden und gute Chancen, dort auf mehr Liebe zu stoßen als bei mir 😉

[Geschenktipp] LeseBlüten Prosa 2010

Die Anthologie „LeseBlüten Prosa 2010“ enthält Kurzgeschichten aus vielen verschiedenen Genres.
Spannendes, Witziges, Nachdenkliches, Fantastisches – all das ist in der Kurzgeschichtensammlung, die im Piepmatz-Verlag erschienen ist, zu entdecken.

Dieses Buch enthält so viele verschiedene Geschichten, dass man sich beim Lesen wirklich Zeit nehmen, auch mal Pausen einlegen muss, um diese bunte Mischung wirklich aufnehmen zu können.
Die Themen der 58 enthaltenen Geschichten sind ebenso vielfältig wie die Autoren selbst, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Prosa war das Stichwort, ansonsten gab es keine weiteren Einschränkungen.

Was ich wirklich besonders an dieser Anthologie finde, ist, dass die Geschichten nahezu unverändert abgedruckt wurden, man liest also wirklich das, was die Autoren geschrieben haben – und da tun sich mitunter Welten auf.
Ich gebe es ganz offen zu, einige Geschichten habe ich nicht zu Ende gelesen, sie trafen nicht meinen Geschmack, weder thematisch noch vom Sprachgefühl her; bei manchen wollte sich mir die Aussage auch so gar nicht erschließen.

Manche Geschichten jedoch haben mich richtig umgeworfen, ich möchte sie als wahre Rohdiamanten bezeichnen, von deren Autoren man hoffentlich in Zukunft noch viel mehr lesen und hören wird!
Viele von ihnen sind auf Twitter, bei Facebook oder in eigenen Blogs sehr aktiv, mein FeedReader ist dank der „LeseBlüten“ deutlich dicker geworden, denn ich möchte den Weg dieser Autoren unbedingt weiterverfolgen.

Zur Auseinandersetzung mit der Literatur, mit den eigenen Präferenzen und Wünschen an das geschriebene Wort, aber auch den Vorstellungen anderer Menschen haben mich die „LeseBlüten“ allesamt angeregt und daher kann ich euch dieses Buch guten Gewissens ans Herz legen.

Jürg Altwegg und Roger de Weck / Sind die Schweizer die besseren Deutschen?

Das Verhältnis zwischen Deutschen und Schweizern ist ein Thema, das in den letzten Monaten besonders hier in der Schweiz kontrovers diskutiert wurde und eine gewisse Spannung in sich birgt.
Dabei haben Schweizer und Deutsche ja durchaus viel gemeinsam – und sei es nur der argwöhnische Blick auf die Eigenheiten des anderen…

Immer mehr Deutsche ziehen in die Schweiz. Vielen von ihnen schlägt, offen oder verdeckt, Feindseligkeit entgegen. Den Schweizern scheint jeder Anlass recht, die Deutschen nicht zu mögen. Die Medien heizen die Stimmung an, einige Deutsche wehren sich, der Vorwurf der Arroganz steht gegen den der Fremdenfeindlichkeit. Haben die Schweizer ein Problem mit den Deutschen – oder mit sich selbst? Und wie geht es bei alledem den Schweizern in Deutschland? Jürg Altwegg und Roger de Weck, die Herausgeber der Bestseller-Anthologie „Kuhschweizer und Sauschwaben“, haben prominente Autoren gebeten, von ihren Erfahrungen zu berichten. Das ultimative Handbuch zur Deutsch-Schweizer Nachbarschaftshilfe.

Quelle: Hanser Literaturverlage

Monatelang lag dieses Buch auf meinem Nachttisch, immer wieder habe ich es zur Hand genommen, noch mal diesen Beitrag und jenes Gedicht gelesen, darüber nachgedacht. Das wird sicherlich auch so bleiben, denn es lohnt sich, die einzelnen Beiträge immer mal wieder zu lesen und sacken zu lassen.

In der Schweiz herrscht vielerorts dicke Luft zwischen Schweizern und Deutschen, dieser Konflikt hat die Landesgrenzen auch längst verlassen.
In diesem Buch findet man nun eine Sammlung von Texten und Gedichten, einige von Deutschen, andere von Schweizern und viele stellen die Frage: Haben die Schweizer wirklich ein Problem mit den Deutschen – oder doch eher mit sich selbst?

Da ist der ewige Fußballkonflikt zwischen der Schweiz und Deutschland, der die Gemüter bei jedem Länderspiel hoch kochen lässt.
Jürg Altwegg schildert unter anderem diesen Fußballkonflikt in seinem Beitrag „Keine Mauer am Rhein“ und zeichnet das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz anhand ihrer Fußballbegegnungen nach, die in direkter Relation zu den jeweiligen politischen Verhältnissen standen. Noch nie war Fußball für mich so interessant ;-). Es ist wirklich faszinierend, wie sich politische Verhältnisse im Sport widerspiegeln können.

Auch spricht Altwegg in seinem Beitrag den schweizinternen Konflikt zwischen den Welschen (den französischsprachigen Schweizern) und den Deutschschweizern an – wofür ich sehr dankbar bin.
Viele Bücher und viele mediale Beiträge unterschlagen praktisch die Existenz der Romandie. Wenn von der Schweiz geredet wird, ist die deutschsprachige Schweiz gemeint. Nicht die Romandie, nicht das Tessin, obwohl beide unbestritten ebenso fester Bestandteil der Schweiz sind.
Ich lebe in der Romandie, hier kann man nur sehr bedingt das Problem zwischen den Deutschschweizern und den Deutschen nachvollziehen (was dem Deutschschweizer die Deutschen, sind dem Romand die Franzosen – eine Hassliebe). Hier stößt es sauer auf, wenn von gewissen Politikern aus der Deutschschweiz propagiert wird: „In der Schweiz spricht man Deutsch!“.
Nein, meine lieben Politiker. In der Schweiz spricht man Deutsch, aber auch Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Die französischsprachigen Schweizer lernen Deutsch inzwischen meistens als Fremdsprache (wenn überhaupt). Hochdeutsch in den meisten Fällen. Und tun sich dann entsprechend schwer mit Schwiizerdütsch und sind froh, wenn man hochdeutsch mit ihnen spricht (obwohl es ihnen grundsätzlich am liebsten ist, wenn man französisch parliert, aus diesem Grund geben die wenigstens Romands zu, überhaupt die deutsche Sprache zu beherrschen – aber das ist ein anderes Thema …).
Doch fatalerweise mögen viele Deutschschweizer grad das Hochdeutsche nicht, es ist ihnen zu deutsch, das Idiom ist heilig, es ist ihre Identität, doch leider blockiert es auch die inländische Kommunikation.
Die Katze beißt sich im eigenen Land in den Schwanz.

In den einzelnen Beiträgen des Buches ist die Rede von der Liebe zu Land und Leuten, von der tief in uns allen verwurzelten Verbundenheit zur eigenen Heimat und Herkunft, von Mentalitäten und Identitätsgefühlen. Beides ist bei Schweizern und Deutschen gleichermaßen vorhanden, wird jedoch zuweilen verschieden ausgelebt.

Hatte ich anfänglich einfach nur wieder eins dieser Bücher erwartet, die Klischees bedienen und die gegenseitige Abneigung noch mehr fördern, wurde ich angenehm überrascht.
Klischees kommen nur am Rande vor und dienen meist dem Verständnis, die Beiträge sind allesamt fair, meist sogar liebevoll gegenüber dem Anderen.

Berührt hat mich der Briefwechsel zwischen Isabell und Peer Teuwsen, zwischen Mutter und Sohn, die 1971 in die Schweiz gekommen sind und sowohl Hass als auch Freundschaft kennenlernen durften, die hinterfragen, was Identität ausmacht, und das Ganze auf einer sehr persönlichen, fast schon intimen Ebene.

Ebenso berührt hat mich „Heimatort: Deutschland“ von Geri Müller, der Deutscher, Schweizer und Franzose in Personalunion ist und die Konflikte somit aus dreifacher Position heraus betrachten kann.Oder Sibylle Bergs Liebeserklärung in „Mein Schweiz-Museum“. Oder Felix. E. Müllers kritische, politische Betrachtung des „Muttermythos“.

Eigentlich könnte ich nun an dieser Stelle alle Beiträge aus dem Buch aufzählen, denn jeder hat etwas, das zum Nachdenken anregt. Ob da nun die Schweizer von ihrer Wahrnehmung der Deutschen schreiben und ihren Erfahrungen in Deutschland, oder die Deutschen von ihren Erlebnissen in der Schweiz und mit Schweizern: Es wird erklärt, erzählt und am Ende steht fest, dass wir uns alle sehr ähnlich sind.

Was wir wahrnehmen, hängt doch größtenteils davon ab, was wir wahrnehmen WOLLEN. Es ist unsere persönliche Einstellung, die zwischen Abneigung und Zuneigung entscheidet und nicht selten hängen wir genau dazwischen fest, nehmen die Vorurteile wahr, beziehen aber selbst nicht Stellung, weil wir gar nicht wissen, wo wir denn überhaupt nun genau stehen. Auch das kann seinen Reiz haben – und reizen.

 

Titel: Sind die Schweizer die besseren Deutschen?
Herausgeber: Jürg Altwegg und Roger de Weck
Broschiert: 160 Seiten
Verlag: Nagel & Kimche/ Hanser Literaturverlage
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3312004577

27. Januar – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
[Roman Herzog]

Immer häufiger hört man „Das ist doch alles Vergangenheit, ich will davon nichts mehr hören“, und parallel nimmt die Zahl derer, die den Nationalsozialismus für „doch gar nicht so falsch“ halten zu, parallel erhalten rechts gesinnte Parteien mehr Zuspruch und immer weniger fundiertes Wissen findet den Weg in die Köpfe der Menschen.

Erinnern ist wichtig!

Erinnern bedeutet nicht, den moralischen Zeigefinger zu schwingen, sondern es bedeutet, derer zu gedenken, die ihr Leben lassen mussten und derer, deren Leben nachhaltig beeinflusst und zerstört wurde. Erinnern an eine Zeit, in der schon eine „falsche Abstammung“ (man beachte hierbei bitte die Anführungszeichen), eine psychische Störung, eine geistige oder körperliche Behinderung oder eine von der herrschenden Mehrheit abweichende Weltanschauung ausreichten, um als „lebensunwert“ abgestempelt zu werden.

Erinnern bedeutet, nicht zu vergessen.

Anlässlich des 27. Januars möchte ich euch heute fünf Bücher vorstellen, die dabei helfen, nicht zu vergessen.

Eugen Kogon: Der SS-Staat

Eugen Kogon (1903-1987), Autor dieses Buches, gilt als einer der „intellektuellen Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland“.
Er war Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler, Sohn eines jüdisch-russischen Diplomaten und Katholik.
Kogon war schon früh ein Gegner des Nationalsozialismus, wurde erstmals 1936 von der Gestapo verhaftet und schließlich 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen überlebte Kogon das Konzentrationslager und begann direkt nach Kriegsende damit, das Buch „Der SS-Staat“ zu verfassen, welches 1946 erstmals veröffentlicht wurde. Seitdem ist es in zahlreichen Auflagen erschienen, wurde häufig aktualisiert und gilt als eines der Standardwerke über die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Das Buch analysiert den Aufbau und den beabsichtigten Zweck der Konzentrationslager, berichtet vom Alltag in den Lagern, vom Miteinander und auch von Konflikten der Häftlinge, vom Überlebenskampf und den Verbrechen vonseiten der Nationalsozialisten.
Obwohl Kogon als ehemaliger Häftling aus erster Hand berichtet, ist sein Schreibstil sehr sachlich.
Er dokumentiert und verzichtet dabei auf plakative oder emotionsüberladene Sprache, ebenso auf pauschale Schuldzuweisungen. Genau dieser Stil ist es, der dafür sorgt, dass so manche Passage des Buches einen direkt wie ein Schlag in den Magen trifft. Seine Schilderungen, in diesen nüchternen Stil verpackt, machen das ganze Ausmaß nationalsozialistischer Verbrechen verständlich und helfen, das Konzept der Konzentrationslager und deren ganz eigene Gruppendynamik nachvollziehen zu können.

Von mir gibt es für dieses Buch eine unbedingte Leseempfehlung.

Broschiert: 432 Seiten
Verlag: Nikol Verlag
ISBN-13: 978-3868200379

Carlo Ross: Im Vorhof der Hölle: Ein Buch gegen das Vergessen.

1942 wird der 14-jährige Jude David Rosen nach Theresienstadt gebracht.
Dieses Lager, von den Nazis als »Vorzeige-KZ« konzipiert um es der Presse und ausländischen Besuchern vorzuführen, wird von seinen Bewohnern auch »Vorhof zur Hölle« genannt.
Jeder hier weiß, dass es aus Theresienstadt nur einen Weg gibt: in die Vernichtungslager.
David merkt schnell, dass hinter der künstlichen Fassade der gleiche brutale Alltag von Terror und Angst herrscht, dem die Juden in dieser Zeit überall ausgesetzt sind.

Er hat nur ein Ziel: Er will überleben.

Quelle: DTV

Das Buch ist in der Ich-Perspektive gehalten und zeichnet sich durch eine einfache, oft sachliche und immer gut verständliche Sprache aus. Es wendet sich vor allem an jugendliche Leser und ist gewissermaßen die Fortsetzung des Buches „…aber Steine reden nicht“, das ebenfalls von David handelt und sich mit den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1938 befasst. Beide Bücher sind auch unabhängig voneinander gut zu lesen.

Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 978-3423780551
empfohlenes Alter: 12 – 14 Jahre

Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich.

Zwei Jungen wachsen im selben Haus auf und gehen in die selbe Schulklasse. Jeder wird als einziges Kind von verständnis- und liebevollen Eltern erzogen. Selbstverständlich werden sie gute Freunde und jeder ist in der Familie des anderen daheim. Doch Friedrich Schneider ist Jude und allmählich wirft der Nationalsozialismus seine Schatten über ihn. Langsam gleitet die Geschichte aus der heilen Kinderwelt in ein unfassbares Dunkel.

Quelle: DTV

Dieses Buch ist bei vielen Lehrern seit vielen Jahren Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Friedrichs Geschichte steht exemplarisch für die Geschichte vieler jüdischer Kinder. Doch oft wird es einfacher, die Dinge zu begreifen, wenn man sie anhand eines einzelnen, konkreten Beispiels berichtet bekommt – so wie hier am Beispiel des kleinen Friedrich.

Taschenbuch: 141 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 978-3423078009
empfohlenes Alter: 12 – 14 Jahre

Margret Hamm/ Walburga Borgert/ Sabine Henning-Blome (Hgg.): : Lebensunwert – zerstörte Leben: Zwangssterilisation und „Euthanasie“

Das Vergangene ist nie tot; es ist nicht einmal vergangen.“
[William Faulkner]

1933 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Infolgedessen wurden rund 350.000 Menschen durch Zwangssterilisation ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beraubt und 300.000 Menschen nach 1939 als „lebensunwert“ stigmatisiert.

Das Buch gibt einen thematischen Überblick und ist in zwei Blöcke unterteilt: Im ersten Teil findet man exemplarische Lebensgeschichten, während im zweiten Teil die Forschung zu Wort kommt.
Dazu gibt es viele Abbildungen und weiterführende Fußnoten.

Broschiert: 254 Seiten
Verlag: Vas-Verlag für Akademische Schriften
ISBN-13: 978-3888643910

Margret Kampmeyer/ Cilly Kugelmann/ Marie Naumann (Hgg.): Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus.

„Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus“ befasst sich mit der Entwicklung und Radikalisierung des nationalsozialistischen Rassenwahns.

Dieses Buch enthält Beiträge verschiedener Autoren, unter anderem von Hans-Walter Schmuhl, Gerrit Hohendorf, Maike Rotzoll, Thomas Beddies und Petra Fuchs (wer sich bereits einmal mit der Thematik befasst hat, dem werden diese Namen sicherlich geläufig sein). Dazu kommen zahlreiche Abbildungen und neun Lebensgeschichten.

Es gibt fünf Oberkategorien in dem Buch:
– Das „Dritte Reich“ als biopolitische Entwicklungsdiktatur
– Die Zwangssterilisierung
– Die Aktion T4
– Die Tötung „lebensunwerter“ Kinder im Nationalsozialismus
– Der dezentrale Krankenmord

Dieses Buch setzt etwas Vorwissen voraus, dürfte für an der Thematik Interessierte jedoch sehr aufschlussreich sein. Zahlreiche Fußnoten verweisen dann auf weiterführende Lektüre.

Broschiert: 135 Seiten
Verlag: Wallstein
ISBN-13: 978-3835304680

[weggelegt] Fay Weldon / Was Frauen glücklich macht

Würde bitte jemand diese Buchpechsträhne beenden?

Nun also das dritte Buch, das ich in knapp 2 Wochen weggelegt habe, weil es einfach nicht mehr auszuhalten war.
Angeblich soll dieses Buch amüsant sein und charmant und aufgeklärt und emanzipiert und was weiß ich noch alles. Also entweder habe ich diesbezüglich Wahrnehmungsstörungen oder diejenigen, die sich diese werbeträchtigen Schlagworte überlegt haben.
Wer auf uralte alte Klischees steht und der Meinung ist, dass Frauen den Männern unterlegen und überhaupt bedauernswerte und hilfsbedürftige Wesen sind, die bestenfalls hübsch aussehen können, den macht dieses Buch vielleicht glücklich.
Mich nicht!