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Blogparade zum Jahresabschluss 2014
Alle Jahre wieder veranstaltet Katrin von Buchsaiten die Blogparade und dieses Jahr möchte ich zum ersten Mal teilnehmen.
Die Fragen der BSBP:
* Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir wenig versprochen habe, das mich dann aber positiv überrascht hat? (und Begründung)
* Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir viel versprochen habe, das mich dann aber negativ überrascht hat? (und Begründung)
* Welches war eure persönliche Autoren-Neuentdeckung in diesem Jahr und warum?
* Welches war euer Lieblings-Cover in diesem Jahr und warum?
* Welches Buch wollt ihr unbedingt in 2015 lesen und warum?
Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir wenig versprochen habe, das mich dann aber positiv überrascht hat?
Da gab es gleich mehrere. Allen voran auf jeden Fall „Tessa“ von Nicola Karlsson, ich bin eigentlich ohne Erwartungen an das Buch herangegangen und es hat mich total geflasht. Die Erzählweise, Tempo, Story, an dem Buch hat für mich einfach alles gepasst.
Ebenfalls sehr begeistert hat mich die Reihe „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin. Wie so viele andere habe ich mit viel Vergnügen die Serie „Game of Thrones“ geguckt und dann zur Überbrückung der Wartezeit auf die neue Staffel mit den Büchern begonnen. Ich hätte allerdings wirklich nicht erwartet, dass die Bücher mich noch mehr begeistern als die Fernsehserie. Ich hatte angenommen, dass ein Autor, der in so einer Frequenz Bücher veröffentlicht, allenfalls mittelmäßig ist, und vielleicht haut Martin einen auch nicht unbedingt stilistisch total um, aber die Handlung macht das locker wett – ich bewundere, welch unglaublich komplexe Welt der Mann konstruiert hat. Mittlerweile lese ich Band 4 und freu mich, dass ich noch 6 Bände vor mir habe.
Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir viel versprochen habe, das mich dann aber negativ überrascht hat?
Negativ wäre übertrieben, aber ich hatte mir nach all den Lobhudeleien definitiv mehr von Toby Barlows „Baba Jaga“ versprochen, fand die Lektüre dann doch eher langweilig und den Hype nicht nachvollziehbar.
Welches war eure persönliche Autoren-Neuentdeckung in diesem Jahr und warum?
George R. R. Martin, Ben Aaronovitch, Noam Shpancer, Roman Graf und Matt Haig. Die ersten beiden haben mich überrascht, weil ich nicht angenommen hatte, dass beide mich mit ihren Serien-Romanen begeistern würden, denn eigentlich mag ich Fortsetzungsreihen zwar im Fernsehen, aber nicht bei Büchern, und obwohl ich mittlerweile immer öfter mal etwas aus dem Fantasy-Bereich lese, würde ich das doch keinesfalls als mein bevorzugtes Genre bezeichnen. Glücklicherweise habe ich mich getäuscht und so zwei wunderbar kurzweilige Fortsetzungsreihen für mich entdeckt.
Roman Graf hat mich überrascht, weil ich zum Zeitpunkt der Lektüre noch nichts von diesem Autor gehört hatte. Er ist eher zufällig auf meinem SuB gelandet und konnte mich gleich mit zwei Titeln sehr begeistern. Noam Shpancer war eine Empfehlung einer sehr geschätzten Twitter-Bekanntschaft und ebenfalls ein absoluter Volltreffer.
Und Matt Haig bin ich zunächst eher zufällig auf Twitter begegnet, hatte mit ihm einen so anregenden Austausch, dass ich sogleich sein Buch gekauft habe – und ich habe es ganz sicher nicht bereut, es zählt für mich definitiv zu den Highlights 2014, was man auch daran erkennt, dass ich neben dem Buch auch noch das Hörbuch auf meiner Jahresliste habe ;).
Jeder dieser Autoren beschäftigt sich mit einem anderen Genre und schreibt sehr individuell, weswegen ich meine Neuentdeckungen als sehr bunt und zufriedenstellend empfinde.
Welches war euer Lieblings-Cover in diesem Jahr und warum?
Ich schätze, auch hier liegt „Tessa“ von Nicola Karlsson vorne. Warum, kann ich gar nicht so genau sagen. Ich finde das Cover einfach unheimlich schön und ansprechend, es hat mich aus dem Regal heraus angesprungen.
Ebenso „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ von David Levithan, welches bestimmt bei vielen Leuten in diesem Jahr ganz vorne liegt.
Ich mag Cover, die anders sind – heutzutage sehen sich viele Cover so ähnlich, dass man die Bücher kaum noch auseinanderhalten kann. Gerade bei skandinavischen Krimis oder Jugendromanen fehlt es oft an Kreativität, was wirklich schade ist. Vor allem treibt das sicher viele Buchhändler regelmäßig zur Verzweiflung, wenn Kunden das gesuchte Buch mit „Das Cover war blau mit einem Haus drauf“ beschreiben und es dazu drölfzig passende Titel gibt. 😉
Welches Buch wollt ihr unbedingt in 2015 lesen und warum?
Ich möchte auf jeden Fall noch die restlichen Bände von „Das Lied von Eis und Feuer“ lesen, aber sicher zielt diese Frage eher auf Neuerscheinungen. Ich hab mich allerdings noch nicht wirklich mit den Neuerscheinungen 2015 befasst und außer den neuen Titeln von Jojo Moyes habe ich bislang nur „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq, „Fingerhut-Sommer“ von Ben Aaronovitch und „Das Jahr, in dem ich dich traf“ von Cecilia Ahern auf dem Zettel. Einfach, weil ich diese Autoren sehr gerne lese und ihre Neuerscheinungen daher Pflicht für mich sind.
Ansonsten lasse ich mich einfach überraschen, was so meinen Weg kreuzt. Und mein SuB hat ohnehin noch so viel zu bieten, dass Neuanschaffungen ja eigentlich gar nicht notwendig wären … 😉
Nicola Karlsson/ Tessa
Tessa ist jung, schön und lebt mitten in Berlin. Sie geht viel aus, hat Dates, modelt und dreht Werbespots – auf den ersten Blick alles wunderbar. Doch Tessa ist nicht glücklich.
Ständig pleite, wandert sie von einer Bar zur nächsten, feiert und trinkt. Jeden Tag und immer mehr. Männer kommen und gehen, mit manchen ist der Sex einvernehmlich, mit anderen nicht.
Tessa nimmt alles in Kauf, um nicht allein zu sein. Richtige Freundschaften gibt es kaum noch in ihrem Leben, aber solange genug Alkohol und Drogen da sind, ist es ihr im Grunde egal, mit wem sie unterwegs ist, Hauptsache, sie ist nicht allein. Denn wenn sie allein ist, kommt die Angst, gegen die auch der viele Alkohol, die vielen Tabletten und das Koks nicht ankommen …
Nicola Karlsson hat mit „Tessa“ ein Buch geschrieben, das wie ein Schlag in den Magen ist. Tessa hätte eigentlich alle Optionen, doch sie verschwendet ihr Leben, rutscht immer mehr ab, stößt die wenigen Menschen, die ihr wohlgesonnen sind und ihr helfen wollen, vor den Kopf. Sie ist egoistisch, exzessiv, oft unangenehm, sie will, was sie nicht hat und wenn sie es hat, will sie es nicht mehr.
„Japsend holt sie Luft. Tränen laufen ihre Wangen hinab. Sie schleppt sich zurück zum Bett, will nur weiterschlafen. Schlafen, morgen ist vielleicht alles wieder gut. Sie kann sich nicht bewegen. Schwer drückt sich ihr Körper in die Matratze. Nicht mal einen Selbstmordversuch wäre es jetzt wert aufzustehen. Augen zu. An was Schönes denken. Gibt es was Schönes in dieser Welt? Irgendwas muss es geben, sie ist sich sicher. Und während sie hofft und krampfhaft nach einem schönen Gedanken sucht, schläft sie wieder ein.“
In einigen Rezensionen las ich den Vorwurf, das Buch würde jedes nur erdenkliche Klischee bedienen – ja und? Klischees sind nun einmal Klischees, weil es sie tatsächlich gibt, und zwar verdammt oft. Wer die typischen Berlin-Mitte-Szenegänger kennt, der weiß auch, dass „Tessa“ nicht überzogen ist, sondern verdammt nah an der Realität einer Generation, die sich durchs Leben feiert und mal hier, mal da jobbt, irgendwie orientierungslos und ohne Ziel, dafür oft mit Depressionen und einer Menge Frust, gegen die sie wiederum feiern gehen, immer auf der Suche nach Ablenkung und Flucht aus der Realität – ein Teufelskreis.
„Sie will ihn nicht anrufen, denn er soll zuerst bei ihr anrufen. Am meisten macht ihr der Gedanke Angst, sie könnte ihn mit der Blonden entdecken, aber auch sie sieht sie nie, dabei geht sie fast jede Nacht aus. Und jede Nacht ist sie betrunken. Aber noch ist es Sommer, und den muss man genießen, obwohl sie die Tage meistens verschläft. An morgen will sie jetzt nicht denken, sie will an gar nichts denken. Eigentlich will sie nur den nächsten Drink.“
Wer glaubt, dass Protagonisten nur sympathisch oder unsympathisch sein sollten, kennt vermutlich auch außerhalb von Büchern nur Schwarz oder Weiß. Nicola Karlsson beschreibt Tessa unheimlich intensiv, und dass Tessa eben keine wirkliche Sympathieträgerin ist, sondern oft genug einfach nur Wut in einem erzeugt, damit können einige Leser anscheinend nicht damit umgehen. Anders kann ich mir die Rezensionen nicht erklären, in denen einfach nur steht, Tessa sei unsympathisch und deswegen solle man das Buch nicht lesen. Bumms.
Ich frage mich ganz ehrlich, wieso manche Menschen nicht begreifen, dass es eine enorme schriftstellerische Leistung ist, eine Protagonistin so zu gestalten, dass sie Wut im Leser erzeugt oder auch Ablehnung. Tessa empfindet Schmerz, hat Angst, ist einsam, gleichzeitig fügt sie anderen Schmerzen zu, stößt sie weg, ist sprichwörtlich oft zum Kotzen – genau das macht sie so echt.
„… und sie nutzt den Moment, ihre Hände schnellen hervor, und sie zerkratzt seinen Rücken, so tief und so oft sie kann. Er schubst sie von sich.
‚Au! Scheiße, das tut weh. Das brennt.‘
‚Und was sagt deine Frau dazu?‘ Sie lacht theatralisch. ‚Hast du verdient, du Sau. Du betrügst deine Frau. Und wie erklärst du ihr das?‘
‚Sie wird es nicht zu sehen bekommen.‘ Er steht auf, zieht seine Hose hoch und greift nach seinem Hemd.
‚Du bist so ein Schwein. Und was machst du dann? Rennst mit T-Shirt rum oder was? Sie will es nicht sehen, also sieht sie es nicht. Sie weiß es doch eh. Welche Frau kriegt es nicht mit, wenn der Mann mit fremdem Muschigeruch auftaucht? Diese alte Frau scheint so scheiß dämlich zu sein. Wie krank ist das denn?‘
[…]
Die Tür fällt ins Schloss. Wieder ist sie allein. Die Wohnung scheint nun noch verlassener.“
Das hier ist kein Buch für Leute, die nur Happy-End-Schmalz und rosa Wattewölkchen wollen – und umgekehrt sind das nicht die Leser, die ich diesem herausragenden Buch wünsche.
Die Art und Weise, wie die Autorin die Geschichte erzählt, gefällt mir ausnehmend gut, weist sie doch viele Elemente einer Kurzgeschichte auf. Man erfährt nicht viel über Tessas Vorgeschichte, man stolpert unvermittelt mitten hinein in ihr Leben, in eine Phase, die mehr als schwierig und unglücklich ist, man beobachtet sie – und geht dann wieder. Die Sprache ist schonungslos und ungeschnörkelt und zielt nicht darauf ab, dass der Leser sich wohlfühlt.
„Tessa“ ist für mich ein unheimlich intensives, atmosphärisches, oft unangenehmes Buch und ich ziehe meinen Hut vor Nicola Karlsson und ihrer gnadenlosen Erzählung. Ich hoffe sehr, dass man von dieser Autorin noch einiges zu lesen bekommt.
Nicht jedes Buch muss Wohlbefinden auslösen, im Gegenteil: Es sind meiner Meinung nach genau solche Bücher, die nachwirken, die lange noch im Gedächtnis bleiben, die einem eine neue Sicht auf die Dinge ermöglichen oder eigene Beobachtungen bestätigen, die vielleicht auch anregen, selbst etwas zu verändern, weil sie einem den Spiegel vorhalten.
Absolute Empfehlung.
Fünf Sterne.
Autorin: Nicola Karlsson
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Graf Verlag
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3862200467
Roman Graf/ Niedergang
Ein Berliner Paar, er Schweizer, sie gebürtige Mecklenburgerin, bricht in den Schweizer Bergen zu einer mehrtägigen Hüttentour auf. Die Stimmung ist eisig, nicht nur wegen der Kälte am Berg. Vielmehr wird die Wanderung Richtung Gipfel mehr und mehr Sinnbild für die Beziehung der beiden und je höher sie steigen, umso mehr entfernen sie sich voneinander …
„Niedergang“ ist ein recht kurzes Buch – das mir sehr an die Nieren gegangen ist.
Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, Roman Graf habe meine langjährige Beziehung genommen, ausgewrungen und das Essentielle zwischen diese Buchdeckel gepresst, es war stellenweise beängstigend.
André und Louise bilden von Anfang an kein harmonisches Paar.
Sie, die immerzu meckert und viel lieber an der Mecklenburger Seenplatte Eis essen und schwimmen würde, und er, der hoch hinaus will, der Schmerz spüren will, der Erfolge will, der seine Freundin davon überzeugen will, dass sie gerade das größte Abenteuer ihres Lebens erlebt; der zwar in Berlin lebt, aber in seiner Heimat auf der Wanderung plötzlich seine eigenen Ressentiments gegenüber den Deutschen und ihren Eigenarten realisiert.
Eine Wanderung, bei der es nicht steil aufwärts ging, war für ihn keine Wanderung. Er brauchte die Steigung und das Gewicht des Rucksacks, um zu spüren, dass mit seinem Körper etwas geschah, das ihm guttat; Spaziergänge hingegen auf ebenem Gelände, etwa um einen See herum, waren so leicht, dass er glaubte zu schweben und kaum etwas fühlte. Nein, mit einer richtigen Wanderung war das nicht vergleichbar […]
Die Wanderung steht von Anfang an unter keinem guten Stern, die Anspannung und unterdrückte Aggression zwischen den beiden ist durch die Zeilen hindurch fast greifbar.
Sie liebten sich schnell und gierig, weder liegend, da zu unbequem, noch stehend – auf allen vieren auf geradezu animalische Art. André mochte ihren mageren Körper sehr; nichts Überflüssiges gab es an ihm, er war wunderbar funktional.
Der Leser wandert mit dem Paar den Berg hinauf und spürt die eisige Stimmung, und so verwundert es nicht, dass es schließlich zur Eskalation zwischen den beiden kommt.
Dies geschieht jedoch nicht auf brachiale, laute Art, denn so ist das ganze Buch nicht. Es geschieht leise, fast beiläufig, fast nicht der Rede wert, doch wird es das Leben beider verändern.
Roman Grafs Sprache ist auf das Notwendige reduziert, kein Wort, kein Satz ist deplatziert oder überflüssig. Gerade diese nüchterne Erzählweise ließ mir die Geschichte umso mehr ans Herz gehen und ich war nach der Lektüre erst einmal eine Weile sprachlos und musste mich sammeln.
„Niedergang“ ist kein Wohlfühlbuch. Es ist ein Psychogramm.
Es weckt unangenehme Gefühle, es hat mir Magenschmerzen bereitet.
Aber es hat mir auch dabei geholfen, einige Dinge zu verstehen und mit einigem aus meiner Vergangenheit meinen Frieden zu machen.
Für ein Buch, das solche Emotionen weckt und sprachlich so einwandfrei ist, kann es nur volle fünf Sterne geben.
Autor: Roman Graf
Titel: Niedergang
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Verlag: Albrecht Knaus Verlag (26. August 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3813505665
Das etwas andere Notizbuch
Wie einige andere von euch sicher auch, habe auch ich kürzlich eine eMail von Rochefortbooks bekommen und wenn ich sonst auch jedwede Werbung ablehne, diese Idee finde ich so großartig, dass sie mir einen Beitrag wert ist!
Wer ist Rochefortbooks?
Rochefortbooks ist sozusagen die Erweiterung des Antiquariats Rochefort. Dahinter stecken der Dipl.-Archivar Daniel Glage und Tanja Hoffmann, die sich hauptsächlich ums Marketing kümmert.
Was macht Rochefortbooks?
Nachdem jahrelang tausende alter Bücher durch die Hände der Antiquare gewandert waren, von denen oft nur noch der Einband erhalten war, kamen sie auf die Idee, diesem Einband zu einem zweiten Leben zu verhelfen. Die Einbände wurden mit Papier gefüllt – und schon war die Idee zu einem außergewöhnlichen Notizbuch geboren.
Im noch recht jungen Blog http://rochefortbooksblog.wordpress.com/ kann man ein wenig am Entstehungsprozess Anteil haben und meiner Meinung nach wird dort auch sehr deutlich, dass da Menschen mit Herzblut bei der Sache sind.
Bei Aufräumarbeiten in diversen Bibliotheken und Archiven sind mir leider auch schon zu oft Bücher begegnet, von deren Inhalt nichts mehr zu retten war, Schimmel und Säurebruch hatten ihr Werk getan, aber der Einband war noch recht intakt. Leider half das auch nichts, die Bücher mussten isoliert und anschließend entsorgt werden. Dass die Einbände auf diese Weise weiterverwendet werden, finde ich klasse.
Ins Regal gestellt, fällt das Notizbuch unter den anderen Klassikern nicht wirklich auf – so etwas hätte ich dringend als Teenie gebraucht, dann hätte ich mir die Tagebuchversteckerei sparen können ;-).
Dass ich nun ein Notizbuch in einem Goethe-Einband erhalten habe,betrachte ich als Glücksfall, denn ich liebe Goethe und „jage“ schon seit längerem (leider mäßig erfolgreich) alte Ausgaben seiner Bücher. Auf jeden Fall weiß ich schon, was diverse Freunde in diesem Jahr zum Geburtstag bekommen werden und ich hoffe, dass noch viele andere Literaturfans sich für diese tolle Idee begeistern können und Rochefortbooks uns noch lange erhalten bleibt. Und vielleicht findet sich ja noch der eine oder andere Antiquar, der an einer Kooperation interessiert ist.
[Geschenktipp] LeseBlüten Prosa 2010
Die Anthologie „LeseBlüten Prosa 2010“ enthält Kurzgeschichten aus vielen verschiedenen Genres.
Spannendes, Witziges, Nachdenkliches, Fantastisches – all das ist in der Kurzgeschichtensammlung, die im Piepmatz-Verlag erschienen ist, zu entdecken.
Dieses Buch enthält so viele verschiedene Geschichten, dass man sich beim Lesen wirklich Zeit nehmen, auch mal Pausen einlegen muss, um diese bunte Mischung wirklich aufnehmen zu können.
Die Themen der 58 enthaltenen Geschichten sind ebenso vielfältig wie die Autoren selbst, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Prosa war das Stichwort, ansonsten gab es keine weiteren Einschränkungen.
Was ich wirklich besonders an dieser Anthologie finde, ist, dass die Geschichten nahezu unverändert abgedruckt wurden, man liest also wirklich das, was die Autoren geschrieben haben – und da tun sich mitunter Welten auf.
Ich gebe es ganz offen zu, einige Geschichten habe ich nicht zu Ende gelesen, sie trafen nicht meinen Geschmack, weder thematisch noch vom Sprachgefühl her; bei manchen wollte sich mir die Aussage auch so gar nicht erschließen.
Manche Geschichten jedoch haben mich richtig umgeworfen, ich möchte sie als wahre Rohdiamanten bezeichnen, von deren Autoren man hoffentlich in Zukunft noch viel mehr lesen und hören wird!
Viele von ihnen sind auf Twitter, bei Facebook oder in eigenen Blogs sehr aktiv, mein FeedReader ist dank der „LeseBlüten“ deutlich dicker geworden, denn ich möchte den Weg dieser Autoren unbedingt weiterverfolgen.
Zur Auseinandersetzung mit der Literatur, mit den eigenen Präferenzen und Wünschen an das geschriebene Wort, aber auch den Vorstellungen anderer Menschen haben mich die „LeseBlüten“ allesamt angeregt und daher kann ich euch dieses Buch guten Gewissens ans Herz legen.
Bibliophilin hat zu viele Bücher
Oder anders gesagt: Bücher suchen ein neues Zuhause!
Schaut doch einfach mal bei der Bibliophilin vorbei, vielleicht habt ihr ja Lust, das eine oder andere Buch zu adoptieren. 😉
27. Januar – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
[Roman Herzog]
Immer häufiger hört man „Das ist doch alles Vergangenheit, ich will davon nichts mehr hören“, und parallel nimmt die Zahl derer, die den Nationalsozialismus für „doch gar nicht so falsch“ halten zu, parallel erhalten rechts gesinnte Parteien mehr Zuspruch und immer weniger fundiertes Wissen findet den Weg in die Köpfe der Menschen.
Erinnern ist wichtig!
Erinnern bedeutet nicht, den moralischen Zeigefinger zu schwingen, sondern es bedeutet, derer zu gedenken, die ihr Leben lassen mussten und derer, deren Leben nachhaltig beeinflusst und zerstört wurde. Erinnern an eine Zeit, in der schon eine „falsche Abstammung“ (man beachte hierbei bitte die Anführungszeichen), eine psychische Störung, eine geistige oder körperliche Behinderung oder eine von der herrschenden Mehrheit abweichende Weltanschauung ausreichten, um als „lebensunwert“ abgestempelt zu werden.
Erinnern bedeutet, nicht zu vergessen.
Anlässlich des 27. Januars möchte ich euch heute fünf Bücher vorstellen, die dabei helfen, nicht zu vergessen.
Eugen Kogon: Der SS-Staat
Eugen Kogon (1903-1987), Autor dieses Buches, gilt als einer der „intellektuellen Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland“.
Er war Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler, Sohn eines jüdisch-russischen Diplomaten und Katholik.
Kogon war schon früh ein Gegner des Nationalsozialismus, wurde erstmals 1936 von der Gestapo verhaftet und schließlich 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen überlebte Kogon das Konzentrationslager und begann direkt nach Kriegsende damit, das Buch „Der SS-Staat“ zu verfassen, welches 1946 erstmals veröffentlicht wurde. Seitdem ist es in zahlreichen Auflagen erschienen, wurde häufig aktualisiert und gilt als eines der Standardwerke über die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Das Buch analysiert den Aufbau und den beabsichtigten Zweck der Konzentrationslager, berichtet vom Alltag in den Lagern, vom Miteinander und auch von Konflikten der Häftlinge, vom Überlebenskampf und den Verbrechen vonseiten der Nationalsozialisten.
Obwohl Kogon als ehemaliger Häftling aus erster Hand berichtet, ist sein Schreibstil sehr sachlich.
Er dokumentiert und verzichtet dabei auf plakative oder emotionsüberladene Sprache, ebenso auf pauschale Schuldzuweisungen. Genau dieser Stil ist es, der dafür sorgt, dass so manche Passage des Buches einen direkt wie ein Schlag in den Magen trifft. Seine Schilderungen, in diesen nüchternen Stil verpackt, machen das ganze Ausmaß nationalsozialistischer Verbrechen verständlich und helfen, das Konzept der Konzentrationslager und deren ganz eigene Gruppendynamik nachvollziehen zu können.
Von mir gibt es für dieses Buch eine unbedingte Leseempfehlung.
Broschiert: 432 Seiten
Verlag: Nikol Verlag
ISBN-13: 978-3868200379
Carlo Ross: Im Vorhof der Hölle: Ein Buch gegen das Vergessen.
1942 wird der 14-jährige Jude David Rosen nach Theresienstadt gebracht.
Dieses Lager, von den Nazis als »Vorzeige-KZ« konzipiert um es der Presse und ausländischen Besuchern vorzuführen, wird von seinen Bewohnern auch »Vorhof zur Hölle« genannt.
Jeder hier weiß, dass es aus Theresienstadt nur einen Weg gibt: in die Vernichtungslager.
David merkt schnell, dass hinter der künstlichen Fassade der gleiche brutale Alltag von Terror und Angst herrscht, dem die Juden in dieser Zeit überall ausgesetzt sind.
Er hat nur ein Ziel: Er will überleben.
Quelle: DTV
Das Buch ist in der Ich-Perspektive gehalten und zeichnet sich durch eine einfache, oft sachliche und immer gut verständliche Sprache aus. Es wendet sich vor allem an jugendliche Leser und ist gewissermaßen die Fortsetzung des Buches „…aber Steine reden nicht“, das ebenfalls von David handelt und sich mit den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1938 befasst. Beide Bücher sind auch unabhängig voneinander gut zu lesen.
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 978-3423780551
empfohlenes Alter: 12 – 14 Jahre
Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich.
Zwei Jungen wachsen im selben Haus auf und gehen in die selbe Schulklasse. Jeder wird als einziges Kind von verständnis- und liebevollen Eltern erzogen. Selbstverständlich werden sie gute Freunde und jeder ist in der Familie des anderen daheim. Doch Friedrich Schneider ist Jude und allmählich wirft der Nationalsozialismus seine Schatten über ihn. Langsam gleitet die Geschichte aus der heilen Kinderwelt in ein unfassbares Dunkel.
Quelle: DTV
Dieses Buch ist bei vielen Lehrern seit vielen Jahren Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Friedrichs Geschichte steht exemplarisch für die Geschichte vieler jüdischer Kinder. Doch oft wird es einfacher, die Dinge zu begreifen, wenn man sie anhand eines einzelnen, konkreten Beispiels berichtet bekommt – so wie hier am Beispiel des kleinen Friedrich.
Taschenbuch: 141 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 978-3423078009
empfohlenes Alter: 12 – 14 Jahre
Margret Hamm/ Walburga Borgert/ Sabine Henning-Blome (Hgg.): : Lebensunwert – zerstörte Leben: Zwangssterilisation und „Euthanasie“
Das Vergangene ist nie tot; es ist nicht einmal vergangen.“
[William Faulkner]
1933 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Infolgedessen wurden rund 350.000 Menschen durch Zwangssterilisation ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beraubt und 300.000 Menschen nach 1939 als „lebensunwert“ stigmatisiert.
Das Buch gibt einen thematischen Überblick und ist in zwei Blöcke unterteilt: Im ersten Teil findet man exemplarische Lebensgeschichten, während im zweiten Teil die Forschung zu Wort kommt.
Dazu gibt es viele Abbildungen und weiterführende Fußnoten.
Broschiert: 254 Seiten
Verlag: Vas-Verlag für Akademische Schriften
ISBN-13: 978-3888643910
Margret Kampmeyer/ Cilly Kugelmann/ Marie Naumann (Hgg.): Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus.
„Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus“ befasst sich mit der Entwicklung und Radikalisierung des nationalsozialistischen Rassenwahns.
Dieses Buch enthält Beiträge verschiedener Autoren, unter anderem von Hans-Walter Schmuhl, Gerrit Hohendorf, Maike Rotzoll, Thomas Beddies und Petra Fuchs (wer sich bereits einmal mit der Thematik befasst hat, dem werden diese Namen sicherlich geläufig sein). Dazu kommen zahlreiche Abbildungen und neun Lebensgeschichten.
Es gibt fünf Oberkategorien in dem Buch:
– Das „Dritte Reich“ als biopolitische Entwicklungsdiktatur
– Die Zwangssterilisierung
– Die Aktion T4
– Die Tötung „lebensunwerter“ Kinder im Nationalsozialismus
– Der dezentrale Krankenmord
Dieses Buch setzt etwas Vorwissen voraus, dürfte für an der Thematik Interessierte jedoch sehr aufschlussreich sein. Zahlreiche Fußnoten verweisen dann auf weiterführende Lektüre.
Broschiert: 135 Seiten
Verlag: Wallstein
ISBN-13: 978-3835304680